Es
geht um die Sicherungsverwahrung. Das Thema ist umstritten. Es berührt einen
sensiblen Bereich menschlicher Gesellschaften.
Menschen sind soziale Wesen und
leben als solche für gewöhnlich in Gemeinschaften zusammen. Sie brauchen den
Kontakt, den Austausch mit anderen. Ließe man ein Neugeborenes ohne
menschlichen Kontakt, würde es, selbst wenn es ausreichend Nahrung bekäme,
sterben.
Damit
jeder Einzelne in einer solchen Gemeinschaft sich wohlfühlt, werden Regeln
vereinbart. Im Kleinen wie im Großen. Achtet jemand diese Regeln nicht, hat das
Folgen für denjenigen.
In der Tierwelt gibt es ebenfalls Gemeinschaften. Auch
diese haben Regeln. Wenn sich dort jemand nicht an die Regeln hält, wird er
getötet oder ausgeschlossen. Letzteres führt früher oder später ebenfalls zu seinem
Tod.
Wir
Menschen haben im Laufe der Jahrhunderte immer differenziertere Konsequenzen
für diejenigen erdacht, die sich nicht an die Regeln, an die Gesetze halten.
Nun gut. Es gibt Unterschiede. Nicht überall auf der Welt wird auch ein Täter
als Mensch angesehen. In manchen Teilen der Erde, werden für unsere
Vorstellungen furchtbar grausame Strafen vollzogen.
In den
Teilen der Welt jedoch, die sich „zivilisiert“ und „demokratisch“ nennen, wird
jeder Täter immer noch als Mensch gesehen. Egal wie massiv er gegen die Gesetze
verstieß. Egal wie brutal er gegen andere vorging. Er bleibt immer noch ein
Mensch. Und der Mensch in unserer Welt erhebt sich nicht über den Menschen.
Jedenfalls wenn es nach den Gesetzen geht. Das ist gut so.
Die nachträgliche Sicherungsverwahrung wurde auf Straftäter angewandt, die nach Verbüßung ihrer
Strafe aus Sicht der Fachleute eine anhaltende Gefahr für die menschliche
Gemeinschaft darstellten. Sie blieben eingesperrt, sicher verwahrt. Damit der
Rest der Gemeinschaft sich sicher fühlte.
Die
bisher geltende Regelung der nachträglichen Sicherungsverwahrung im StGB wurde nach einer Rüge
seitens des europäischen Gerichtshofes am 4. Juni 2011 vom
Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Damit entstand eine
schwierige Situation für die deutsche Gesellschaft. Sie musste Menschen aus der
Sicherungsverwahrung entlassen, sie entschädigen. Solche Menschen, die eine
Gefahr für die Gemeinschaft darstellten. Menschen, die, aus welchen Gründen
auch immer, nicht in der Lage waren, das Leben anderer Menschen zu achten.
Menschen, die Kinder töteten. Menschen, die unvorstellbare Grausamkeiten an
anderen Menschen begangen hatten. Menschen, die, so die Fachleute, dies immer
wieder tun würden.
Nun
kann man fragen: Wer sind diese Fachleute? Wer maßt sich an zu entscheiden, zu
wissen, dass ein solcher Mensch solche Taten immer wieder begehen wird? Genau
das ist der Balanceakt. Genau das ist der Punkt, an dem die Geister sich
scheiden.
Das
Buch „Die Verwahrten“ beschreibt dieses Dilemma. Aber nicht nur. Es geht auch
um Strukturen, um Politik. Auch hier agieren Menschen. Und sie gehen nicht
immer in positivem Sinne menschlich miteinander um. Dem Menschen sind eben auch
negative Eigenschaften eigen, auch wenn er das gerne verleugnet. Auch wenn der
Schaden, der anderen Menschen durch diese negativen Eigenschaften zugefügt
wird, nicht so offensichtlich ist, wie bei Gewaltstraftätern. Auch wenn das schändliche Verhalten gut verborgen werden kann…
In
Bezug auf die Sicherungsverwahrung lässt Susanne Preusker in ihrem Roman eine Sozialtherapeutin
in einem Brief ausführlich beschreiben, wie sie diese Täter, wie sie dieses
Urteil sieht. Sie lässt sie sagen: „Es gibt ihn nämlich, den gefährlichen
Straftäter, der mit herkömmlichen und heute bekannten psycho- und
sozialtherapeutischen Methoden nicht erreichbar ist. Es gibt ihn, den, dem
nicht mehr zu helfen ist. Es gibt natürlich auch den, der sich in der
reglementierten und reglementierenden Organisation „Gefängnis“ durchaus wohl
fühlt, in dem eng gesteckten Rahmen gut zurechtkommt. Es ist nämlich ein
kapitaler Fehler, unser akademisches, liberales Bildungsbürgertum
geschwängertes Wertesystem eins zu eins auf jeden Insassen hinter geschlossenen
Mauern zu übertragen. Mag sein, dass notorische Gutmenschen und vielleicht auch
die Damen und Herren in ihren roten Roben das nicht gerne hören, aber die
Realität lässt sich weder durch taube Ohren, noch durch feinsinnige juristische
Abhandlungen oder durch akademische Diskussionen austricksen: Es gibt ihn
wirklich, den nicht therapierbaren Kriminellen mit seinen eigenen Vorstellungen
zu Werten, Normen, Menschenbildern oder Lebensentwürfen, die den unseren so gar
nicht entsprechen wollen.“
Ja,
der Mensch bleibt ein Mensch, egal, was er tut. Das haben wir uns auf die
Fahnen geschrieben. Das ist gut so.
Aber,
und auch diese Frage wirft Susanne Preusker auf: Wie kann es sein, dass von
jedem Menschen in dieser Gesellschaft erwartet wird, dass er die Gesetze
einhält, dass er sich anstrengt, dass er seinen Beitrag zum Funktionieren der
Gesellschaft leistet, nur von den Tätern nicht? Wie kann es sein, dass jeder
Mensch, der Schwierigkeiten hat, sich selbst darum kümmern muss, diese zu
überwinden, dass aber ein Mensch, dessen grausames Tun zum qualvollen Tod eines
anderen Menschen führte (oder mehrerer), von anderen motiviert werden muss,
diese Schwierigkeiten zu überwinden? Dass dieser Verbrecher sogar dafür bezahlt
wird, damit er seine Therapiestunden wahrnimmt?
Diese
Geschichte hat mich sehr aufgewühlt. Vor allem, weil die Autorin so
eindringlich beschreibt, was dieses System mit den Menschen macht, die darin
arbeiten. Wie geht es den Strafvollzugsbeamten, den Psychologen und
Sozialarbeitern im Strafvollzug, den Polizisten? Deren Tun wird permanent in
Zweifel gezogen, ignoriert oder benutzt. Je nachdem, wie es gerade demjenigen
Vorgesetzten nutzt, der eine Sprosse weiter nach oben klettern will auf seiner
Karriereleiter.
Die
zentrale Frage ist: Sind vor dem Gesetz alle Menschen gleich?
Ich
habe das Gefühl, dass auch in dieser Demokratie immer noch manche Menschen
gleicher sind als andere… Die Gesetze werden schließlich auch von Menschen
gemacht…
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