Sonntag, 21. September 2014

Jojo Moyes „Ein ganzes halbes Jahr“

Innerhalb kurzer Zeit habe ich alle drei Bücher von Jojo Moyes gelesen. Sie schreibt fesselnd. Jede Figur stand deutlich vor meinem geistigen Auge, ich fühlte mit, egal ob sie sich freuten oder litten. Auch bei diesen Büchern gelang es mir abends wieder oft nicht aufzuhören, ein Ende zu finden, da es irgendwie immer spannend war.

„Ein ganzes halbes Jahr“ beschreibt im Wesentlichen zwei Probleme. Zum einen geht es darum, bis zu welchem Grad der Einschränkung und Abhängigkeit von anderen ein Leben noch lebenswert bleibt. Zum anderen geht es um die Frage, ob Selbsttötung und Sterbehilfe in manchen Fällen verständlich sind oder sogar, im Falle der Sterbehilfe, von Menschlichkeit zeugen.
Eingebettet ist das Ganze in eine Liebesgeschichte… aber dazu weiter unten mehr.

Ich hatte die gesamte Zeit vollstes Verständnis dafür, dass Will dieses Leben in totaler Abhängigkeit nicht führen wollte. Ich meine: was ist das für ein Leben: nichts, aber auch gar nichts selbst machen zu können, immer und in allen Belangen von anderen abhängig zu sein? Tut mir leid, auch wenn es sicher Leute gibt, die meinen, dass Gott entscheide und nicht der Mensch selbst… aber wenn es die Möglichkeit gibt, einem solchen Elend ein Ende zu bereiten, warum soll einem diese Möglichkeit verweigert werden? Weil irgendwo jemand entschieden hat, dass man leiden muss? Weil man in einem früheren Leben ein schlechter Mensch war und dieses Leben nun die Strafe dafür ist und man, wenn man sie nicht erduldet, im kommenden Leben noch mehr leiden wird? Nun, wenn man an solche Dinge glaubt, dann muss man das tun. Und sicher gibt es auch Menschen, die lieber so abhängig leben, als zu sterben. Alles gut.
Aber wenn jemand so nicht leben will, dann, finde ich, sollte man das akzeptieren. Ich konnte nicht nachvollziehen, warum offensichtlich sonst kein Mensch aus Wills Umfeld seinen Wunsch verstand. Ich glaube, sein Vater hat es akzeptiert, wenngleich ihm in dem Buch wenig schmeichelhafte Beweggründe dafür unterstellt wurden. Aber er sprach es so nicht aus, da er nicht als Vater dastehen wollte, der sich den Tod seines Sohnes wünschte. Denn genau so wäre es aufgefasst worden. Das ist schon grotesk: alle behaupten, dass sie aus Liebe handeln. Doch was ist das für eine Liebe, die die Wünsche der geliebten Person, seine Gefühle so völlig ignoriert? Was sagt es über die Mutter aus, wenn sie ihren Sohn lieber leiden sieht, als ihn gehen zu lassen?

Die Liebesgeschichte nachzuvollziehen, fiel mir schwer. Klar, dass man mitfühlt, dass es einem weh tut, jemanden so leiden zu sehen, dass man sich freut, wenn derjenige dann doch Möglichkeiten entdeckt, in kleinen Bereichen selbständig zu handeln… das ginge mir genauso. Aber mich so sehr wie Louisa in jemanden verlieben, der derartig eingeschränkt ist? Das kann ich mir nicht vorstellen. Vielleicht bin ich dazu zu pragmatisch? Ich denke, realistisch trifft es eher. Beziehungen zwischen Mann und Frau sind ohnehin nicht einfach, auch ohne dass einer vom anderen so extrem abhängig ist… aber gut, dafür gibt es ja Romane, damit man träumen, die Realität für einige Stunden ausblenden kann. Und meistens enden diese Geschichten damit, dass die beiden zueinander finden… seufz… sooo schön!
… wie sie den Alltag dann meistern erfährt man ja eher selten. Das würde die ganze Romantik kaputt machen ;)


Mir fiel es jedenfalls schwer, Louisas Gefühle gegenüber Will nachzuempfinden… dafür fühlte ich umso intensiver mit Will. 

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