Dienstag, 5. August 2014

Susanne Preusker "Sieben Tage im April"

„Meine Geschichten vom Überleben“ lautet der Untertitel.

Es ging durch alle Medien, dieses Drama, damals im Frühjahr 2009. Ich hatte es nicht mehr im Kopf. Weggerutscht, wie so viele Nachrichten. Es sind so viele jeden Tag. Dabei lese ich nicht einmal alles. Geht ja auch gar nicht in einer Zeit, da im Sekundentakt von überall auf der Welt berichtet wird.


Dieses Drama rückte erneut in mein Bewusstsein, als ich das Buch las. Meine Schwester brachte es mir mit. Sie hatte es von Susanne Preusker geschenkt bekommen. Meine Schwester arbeitet ebenfalls als Psychologin in einer Justizvollzugsanstalt…

Vielleicht hat es mich deswegen so berührt? Sicher auch, aber ich glaube, es ist vor allem die Art, wie Susanne schreibt. Nicht reißerisch, nicht dramatisch. Sie beschreibt. Erzählt in kurzen Geschichten, wie sie lebt. Wie sie überlebt hat. Wie sie sich Stück für Stück in ein neues Leben hineintastet. Wie sie es sich erarbeitet, dieses neue Leben. Denn es kommt nicht von allein. Es ist nicht einfach neu und anders. Es ist harte Arbeit, sich nicht gehen oder fallen zu lassen, nicht auf dem Rücken, auf den man trotz aller Anstrengung immer wieder fällt, liegen zu bleiben, immer wieder aufzustehen... Das beschreibt Susanne anhand verschiedener Situationen aus den ersten Jahren nach dem Drama. Darin verwoben, wie wichtig Freunde, Liebe, Menschlichkeit, Essen, Bewegung, Meeresrauschen uvam. sind um zu (über-)leben.

Sie beschreibt auch, was geschah. Das tut weh. Nur allein, es zu lesen, tut weh. Und es macht wütend. Nicht nur auf den Täter. Auch auf das System. Die Frage drängt sich auf: Wie kann es sein, dass sie sieben Stunden allein in ihrem Büro mit diesem Verbrecher ist und niemand ihr hilft? Sie war nicht in einer Wohnung irgendwo im Niemandsland. Sie befand sich in einem Hochsicherheitsgefängnis! Wie kann da so etwas passieren? Und wie kann es sein, dass nichts passiert, wenn so etwas passiert? Dass sie allein ist, niemand ihr hilft?

Der Satz „Sie wissen doch, wo sie arbeiten. Das ist eben das Risiko.“ ist auch meiner Schwester schon begegnet. In diesem Satz schwingt so viel Verachtung mit. Er sagt so viel aus über die Menschlichkeit desjenigen, der ihn spricht. Geht die Menschlichkeit irgendwo auf dem Weg die Karriereleiter hinauf verloren? 
Sind diejenigen, die an der Basis die Arbeit tun am Ende nur Zahlen? Posten in einem System?

Das Buch wirft viele Fragen auf. Es lohnt sich, sie zu diskutieren.

Das Buch ist aber vor allem eines: ein Plädoyer für das Leben. Es macht Mut. Denjenigen, die ebenfalls ein Trauma erleiden, aber auch jedem, der aus anderen Gründen am Sinn seines Lebens zweifelt.
Mit einem Zitat aus einem Song der Onkelz, das für Susanne Leitsatz ist, beende ich diese Buchempfehlung:


Nichts hat Bestand, nicht mal das Leid und selbst die größte Scheiße geht mal vorbei. Lass es zu, dass die Zeit sich um dich kümmert, hör mir zu, mach es nicht noch schlimmer, denn es gibt nen neuen Morgen, nen neuen Tag, ein neues Jahr. Der Schmerz hat dich belogen, nichts ist für immer da.

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