„Meine
Geschichten vom Überleben“ lautet der Untertitel.
Es
ging durch alle Medien, dieses Drama, damals im Frühjahr 2009. Ich hatte es
nicht mehr im Kopf. Weggerutscht, wie so viele Nachrichten. Es sind so viele
jeden Tag. Dabei lese ich nicht einmal alles. Geht ja auch gar nicht in einer
Zeit, da im Sekundentakt von überall auf der Welt berichtet wird.
Dieses Drama rückte erneut in mein Bewusstsein, als ich das Buch las. Meine Schwester brachte es mir mit. Sie hatte es von Susanne Preusker geschenkt bekommen. Meine Schwester arbeitet ebenfalls als Psychologin in einer Justizvollzugsanstalt…
Vielleicht
hat es mich deswegen so berührt? Sicher auch, aber ich glaube, es ist vor allem
die Art, wie Susanne schreibt. Nicht reißerisch, nicht dramatisch. Sie
beschreibt. Erzählt in kurzen Geschichten, wie sie lebt. Wie sie überlebt hat.
Wie sie sich Stück für Stück in ein neues Leben hineintastet. Wie sie es sich
erarbeitet, dieses neue Leben. Denn es kommt nicht von allein. Es ist nicht
einfach neu und anders. Es ist harte Arbeit, sich nicht gehen oder fallen zu
lassen, nicht auf dem Rücken, auf den man trotz aller Anstrengung immer wieder fällt, liegen zu bleiben, immer wieder aufzustehen... Das beschreibt Susanne anhand verschiedener Situationen aus den ersten
Jahren nach dem Drama. Darin verwoben, wie wichtig Freunde, Liebe, Menschlichkeit, Essen, Bewegung, Meeresrauschen uvam. sind um zu (über-)leben.
Sie
beschreibt auch, was geschah. Das tut weh. Nur allein, es zu lesen, tut weh.
Und es macht wütend. Nicht nur auf den Täter. Auch auf das System. Die Frage
drängt sich auf: Wie kann es sein, dass sie sieben Stunden allein in ihrem Büro
mit diesem Verbrecher ist und niemand ihr hilft? Sie war nicht in einer Wohnung
irgendwo im Niemandsland. Sie befand sich in einem Hochsicherheitsgefängnis!
Wie kann da so etwas passieren? Und wie kann es sein, dass nichts passiert,
wenn so etwas passiert? Dass sie allein ist, niemand ihr hilft?
Der
Satz „Sie wissen doch, wo sie arbeiten. Das ist eben das Risiko.“ ist auch
meiner Schwester schon begegnet. In diesem Satz schwingt so viel Verachtung
mit. Er sagt so viel aus über die Menschlichkeit desjenigen, der ihn spricht.
Geht die Menschlichkeit irgendwo auf dem Weg die Karriereleiter hinauf
verloren?
Sind diejenigen, die an der Basis die Arbeit tun am Ende nur Zahlen? Posten in
einem System?
Das
Buch wirft viele Fragen auf. Es lohnt sich, sie zu diskutieren.
Das
Buch ist aber vor allem eines: ein Plädoyer für das Leben. Es macht Mut.
Denjenigen, die ebenfalls ein Trauma erleiden, aber auch jedem, der aus anderen
Gründen am Sinn seines Lebens zweifelt.
Mit einem
Zitat aus einem Song der Onkelz, das für Susanne Leitsatz ist, beende ich diese
Buchempfehlung:
Nichts hat Bestand, nicht mal das
Leid und selbst die größte Scheiße geht mal vorbei. Lass es zu, dass die Zeit
sich um dich kümmert, hör mir zu, mach es nicht noch schlimmer, denn es gibt
nen neuen Morgen, nen neuen Tag, ein neues Jahr. Der Schmerz hat dich belogen,
nichts ist für immer da.
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