Freitag, 21. April 2017

Christine Brückner „Jauche und Levkojen“, „Nirgendwo ist Poenichen“ und „Die Quints“

Die Poenichen- Trilogie werden die drei Bände auch genannt. Sie erzählen vom Leben der Maximiliane von Quindt, die 1918 auf Gut Poenichen in Hinterpommern geboren wird und bei ihren Großeltern aufwächst. Der Vater fiel in den letzten Tagen des Ersten Weltkrieges, die Mutter liebte das Berliner Leben viel zu sehr, war auch noch zu jung und konnte weder dem Leben mit Kind, noch dem Leben auf dem Land irgendetwas abgewinnen.
Maximiliane läuft am liebsten barfuß, auch wenn sie zu einem Fräulein erzogen werden soll. Sie heiratet 1937 einen Quint ohne „d“ und ohne Adelstitel. Der Großvater sagt trocken: „Dieser junge Quint ohne d ist ein Mann mit Idealen und Grundsätzen. Es ist nur die Frage, ob es die richtigen sind. Aber jemand, der von einer falschen Sache überzeugt ist, ist mir lieber, als einer, der von gar nichts überzeugt ist.“ Viktor Quint ist überzeugter Nationalsozialist und der alte Quindt sorgt sich um den Fortbestand des Gutes.
Bis zum Ende des Krieges bringt Maximiliane drei Kinder zur Welt: Joachim, Golo und Veronika. Ein Mädchen namens Edda kommt dazu. Sie wird von ihrer Mutter auf dem Gut abgegeben. Viktor Quint ist der Vater. Eddas Mutter will heiraten und ihr Mann will das Kind nicht. Darum bringt sie es kurzerhand nach Poenichen und lässt es dort in der Familie seines leiblichen Vaters. Edda ist drei Jahre alt. Sie wird ihre Mutter nie wieder sehen. 
1945, auf der Flucht von Hinterpommern in Richtung Westen wird Maximiliane mit ihren vier Kindern (Edda gehört für sie inzwischen unverrückbar dazu) vom Treck verlassen und zieht also allein weiter. Sie wird vergewaltigt und bringt, als sie nach langen Märschen auf der Burg Eickel, dem Ursprungssitz derer von Quindt ankommt, ein weiteres kleines Mädchen zur Welt, Mirka.

Beim Lesen dieser Trilogie, dachte ich immer: was der Mensch doch alles aushalten kann! Mit vier Kindern auf der Flucht, überwiegend zu Fuß, vergewaltigt und dann in der Nachkriegszeit also mit fünf Kindern. Doch diese Maximiliane von Quindt verfügt über eine stoische Ruhe und eine unerschütterliche optimistische Grundhaltung, mit der sie jeden noch so schweren Schlag hinnimmt und jeder Sache irgendetwas Positives abgewinnt. Sie lebt einfach, sie fragt nicht viel, sie macht. "So ist das eben jetzt!" Ja, sie reflektiert in Ansätzen auch, aber eher mit einem Schulterzucken: „So war das eben damals!“ 
Ihre Kinder hängen sehr an ihr und wenn man ihre Lebensgeschichten verfolgt fragt man sich, warum sie später trotz der vielen Liebe, der sicheren und dauerhaften Nähe ihrer Mutter teilweise so unsichere Wesen wurden. Alle gehen irgendwie ihren Weg, aber jeder hat seine Schrammen auf der Seele, die Krieg, Flucht und die Zeit der Entbehrungen eben trotz der Mutterliebe dort hinterließen.

Christine Brückner stellt jedem Kapitel ihrer drei Bücher ein Zitat voran. Manchmal sind es Aussagen des alten Quindt, die in der Familie auch „Quindtessenzen“ genannt werden, manchmal Aussagen von Angestellten des Gutes, aber auch Zitate berühmter Persönlichkeiten. So z.B. das von Marie von Ebner- Eschenbach, das dem Kapitel vorangestellt wurde, in dem ein Psychologe eine Kurzeinschätzung zu Maximilianes Kindern abgibt: „Man wird vom Schicksal hart oder weich geklopft, es kommt auf das Material an“.


Gefallen hat mir an diesen drei Romanen auch, dass Christine Brückner so schreibt, dass man das Gefühl hat, man lausche der lebendigen Erzählung der alten Dame. Meine Großmutter hat mir auch viel erzählt und ich höre ihr immer gern zu. Ich suche gerade nach einem Begriff für die Haltung, mit der sie erzählt und in der auch die Poenichen- Romane verfasst sind. Entspannt trifft es nicht, stoisch ist vielleicht zu wenig emotional. Es ist wie es ist, träfe es vielleicht. So war es eben damals. 
Am besten trifft es vielleicht der Spruch von Seneca, den die Autorin dem letzten Kapitel des dritten Bandes voranstellt: 

„Glücklich ist nicht, wer anderen so vorkommt, sondern wer sich selbst dafür hält.“ 

Eine lohnende Grundhaltung, die meine Großmutter auch in ihrem 95ten Lebensjahr noch hat und die manch jungem Menschen, der am Ausfall seines Handys zu zerbrechen droht oder manchem, der am Montag erklärt, wie furchtbar es ist, dass die Arbeitswoche beginnt, ein Beispiel sein kann. 

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