Ich
bekam das erste der beiden Bücher letztens geschenkt. „Herzenhören“ das klang
für mich sehr esoterisch. Ein bisschen ist es das auch. Jedoch hat mich die
Geschichte und die Sprache, in der Jan- Philipp Sendker sie verfasst hat, in
ihren Bann gezogen.
Eine
junge Frau, Julia Win aus New York, geht auf die Suche nach ihrem Vater. Er
verschwand nach dem Tag ihres College- Abschlusses. Als hätte er nur darauf
gewartet, dass sie auf eigenen Füßen steht. Vier Jahre sind seit seinem
Verschwinden vergangen. Sie hat sich damit arrangiert, hat sich als Anwältin
etabliert, aber die Gedanken an ihren Vater kehren immer wieder.
Als
ihre Mutter ihr einige persönliche Dinge ihres Vaters zukommen lässt, entdeckt
sie darunter einen Liebesbrief, den er vierzig Jahre zuvor an eine Frau in
Birma schrieb… und sie entschließt sich, diese Frau zu suchen, in der Hoffnung
dort auch ihren Vater zu finden.
Überwiegend erzählt dieses Buch die Geschichte des Vaters, den Teil seiner Geschichte, den weder Tochter noch Sohn noch Ehefrau kannten. Seine Kindheit und Jugend in Birma. Sie erzählt von einem Jungen, der erblindete und lernt mit seinen Ohren und seinem Herzen zu sehen. „Er hörte die Stimme nicht nur, er spürte sie auf seiner Haut, als ob zwei Hände ihn massierten.“ Sätze wie dieser nahmen mich für die Geschichte ein. So poetisch!
Auch
wenn ich die Tatsache, dass das Gehör sensibler wird, wenn das Augenlicht
verloren geht, an manchen Stellen ein wenig überzogen dargestellt fand, kam ich
dennoch nicht los von diesem Buch. Es entspannte mich, diese Worte zu lesen,
die sowohl die Landschaft als auch das Leben der Menschen in diesem fernen Land
so intensiv beschreiben, das ich manchmal glaubte, alles vor mir zu sehen: das
Teehaus, U Ba, der die Geschichte von Julias Vater erzählt, Mi Mi, die
Empfängerin des Liebesbriefes, das Haus unter dem das Schwein lebt…
Auf
dem Buchrücken steht, das die Erkenntnisse, die Julia gewinnt, die Tatsache,
dass sie das Geheimnis der ersten zwanzig Jahre ihres Vaters lüftet, ihr Leben
für immer verändert. Das empfand ich nicht so. Die Geschichte endet noch in
Birma und ja, Julia ist berührt von ihren neuen Erkenntnissen und Erlebnissen und ja, sie kann ihren Frieden
mit ihrem Vater schließen. Aber ob ihr Leben sich dadurch grundlegend
verändert, bleibt offen.
Ein
Satz von U Ba gegen Ende der Geschichte erklärt vielleicht, warum ich bis zum Ende fasziniert blieb von diesem Buch: „Nicht alles, was wahr ist, kann man
erklären,…und nicht alles, was man erklären kann ist wahr.“
Dieser
Satz, der bei aller Verankerung in der Realität, doch auch einen Teil meiner Lebenshaltung
ausmacht, trug dann auch dazu bei, dass ich das zweite Buch „Herzenstimmen“ las.
Ich verspürte anfangs starken Widerstand in mir, DAS zu lesen.
Julia
hat ihr Leben nach ihrer Rückkehr aus Birma nicht verändert. Sie ist eine erfolgreiche und vielbeschäftigte
Anwältin in einer großen New Yorker Anwaltskanzlei.
Und
plötzlich hört sie eine Stimme. Nicht mehrere.
Nur eine. Die Stimme einer Frau. Scheinbar einer leidenden Frau. Natürlich
denkt Julia an Schizophrenie, an psychische Erkrankung, aber sie spürt doch,
dass es etwas anderes sein muss… Ich muss zugeben: damit hatte ich meine
Probleme.
Aber
auch diese Geschichte las ich bis zum Ende. Vielleicht, weil auch Julia sich
anfangs gegen die Erklärung wehrt, die ihr ein alter Mann für diese Stimme gibt.
Dennoch reist sie wieder nach Birma, weil sie die Stimme loswerden will, weil
sie verstehen will, woher diese kommt, weil sie nicht an die Heilung durch
Tabletten glaubt und weil sie die vage Hoffnung hat, dass ihr in Birma geholfen
werden kann.
Wieder
schaffte es Jan- Philipp Sendker, mit seiner Sprache Bilder zu schaffen in
meinem Kopf. In diesem zweiten Buch, in dem Julia ein verändertes Birma erlebt,
eines, das unter der Herrschaft der Militärs steht, geht es wieder um das Sehen
mit dem Herzen, um die Liebe zu anderen Menschen, zur Natur, um den Umgang
miteinander… Auch hier gibt es zauberhafte Worte, nachdenkliche Sequenzen und
Sätze, die mich innehalten lassen.
Am
Ende des Buches ist die Stimme aus Julias Kopf verschwunden und dieses Mal
verändert sie wirklich ihr Leben. So ganz glauben konnte ich das nicht, aber
dazu bin ich vielleicht zu zögerlich, zu wenig mutig… oder mir geht es einfach
zu gut, als dass ich mir eine Entscheidung wie sie Julia am Ende trifft,
vorstellen könnte J
Auf
jeden Fall sind beide Bücher ein Ausflug in eine andere Welt, geschrieben in
einer wundervoll poetischen Sprache und mit Worten, die nachdenklich machen…
sehr lesenswert!
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