Auch
dieses Buch erzählt davon, wie die Vergangenheit in den Menschen bis in die
Gegenwart hinein wirkt, wie sie das Verhalten jedes Familienmitgliedes
beeinflusst, auch desjenigen, das diese Vergangenheit gar nicht erlebte.
Vera
von Kamcke kam als Flüchtlingskind mit ihrer Mutter Hildegard von Kamcke aus
Ostpreußen ins Alte Land. Alter ostpreußischer Adel stößt auf norddeutsche
Bauern. Und ist auch noch von denen abhängig! Für die Mutter eine Katastrophe,
der sie Zeit ihres Lebens mit kraftvoller Arroganz begegnet.
Vera,
die damals Fünfjährige, betrachtet das Ganze mit den Augen eines Kindes… und
fügt sich… so sehr, dass die Mutter, als sie selbst ein neues Leben beginnt, die Tochter dort lässt, auf dem Hof.
Und
dort ist Vera auch noch Jahrzehnte später. Sie hängt fest in diesem alten Haus,
in dieser Gegend, wie Dörte Hansen sie oft sagen lässt. Sie hat keine Wurzeln
im Alten Land, aber sie ist dort festgewachsen.
Vera bleibt
erhobenen Hauptes in diesem Dorf im Alten Land. Sie kämpft erfolgreich,
studiert und kehrt als Zahnärztin zurück. Und bleibt. Sie wird nie geliebt in
diesem Ort, aber schließlich respektiert.
Später
dann kommt ihre Nichte Anne mit Sohn Leon zu ihr auf den Hof. Die beiden Frauen
ähneln sich. Als Anne auf dem Hof ankommt, heißt es im Text:
„Vera
Eckhoff wusste nicht viel von ihrer Nichte, aber sie erkannte einen Flüchtling
wenn sie ihn sah. … Weggejagt oder weggerannt, Bollerwagen oder
Kleintransporter, das machte keinen großen Unterschied.“
Zunächst
überwiegend schweigend leben die beiden Frauen in dem großen alten Haus, das
Vera kurz nach dem Krieg mit ihrer Mutter betrat.
Doch
sie kommen sich näher. Vera lässt sogar zu, dass Anne beginnt, das Haus zu
reparieren. Das hat es dringend nötig. Vera hatte es nie gewagt. Ein Erlebnis
aus frühester Kindheit hielt sie davon ab. Eine Haltung die sie tagsüber
belächelte, aber nachts für sehr richtig hielt.
Dieses
Buch ließ mich jeden Abend ein wenig melancholisch zurück. Es ist nicht
traurig, das Leben von Vera. Aber es schwingt immer die traurige Vergangenheit
mit. Bis am Anne kommt. Sie weicht Vera’s harte Schale auf. Vielleicht
weil sie ähnlich traurig und störrisch ist wie Vera? Oder eben, weil sie doch auch ein bisschen anders ist.
Dieses Buch ist absolut lesenswert. Es erzählt mit leiser Melancholie von
Sturheit, Pragmatismus, Aberglauben, von Flucht und Ankommen, von Liebe und
Verlassensein… vom Leben dreier Generationen in einem alten Haus im Alten Land.
Einem
Haus, an dessen Giebel geschrieben steht „Dit Hus is mien un doch nich mien, de
no mi kummt, nennt’t ook noch sien.“
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