Alice,
Kathleen, Ann- Marie, Maggie. Mutter, Tochter, Schwiegertochter und Enkelin erzählen
von ihrem Leben in dieser Familie, der Familie Kelleher.
Es
ist wie das Leben in allen Familien. Es hat glückliche Zeiten und Zeiten der
Trauer. Es hat liebevolle Momente, die einen in der Erinnerung daran immer
wieder lächeln lassen. Und wie in allen Familien fügen auch in dieser die
einzelnen Personen einander Verletzungen zu, die Narben fürs Leben hinterlassen.
Die
Mutter, Alice hat in ihrer Jugend ihre jüngere Schwester verloren.
Sie
meint, eine Schuld am Tod ihrer Schwester zu tragen und wird diesen Gedanken
ihr Leben lang nicht los. Sie heiratet und bringt drei Kinder zur Welt. Ihr
Mann liebt sie aufrichtig und ist, so wie er von allen, die in diesem Roman zu
Wort kommen, beschrieben wird,der perfekte Ehemann und Vater. Immer fröhlich, ausgeglichen,
verständnisvoll… und immer wieder stützt er seine geliebte Alice. Doch die kann
nicht wirklich lieben. Nicht etwa, weil sie sich als Kind von Vater und Mutter
nicht besonders geliebt fühlte. Nein, es ist die Schuld, die sie meint zu
tragen. Sie erzählt keinem Menschen jemals die ganze Geschichte, die sich an
jenem Abend zugetragen hat, was es für sie noch schwieriger macht, den Tod
ihrer Schwester als dramatischen Unfall anzusehen. Ich habe irgendwann
vorgeblättert und die Stelle gesucht, an der ich endlich erfuhr, was damals im
Einzelnen geschah… ich konnte diese Seelenqual von Alice nicht länger ertragen,
die immer nur angedeutet wurde. Als ich dann wusste, wie es abgelaufen war,
konnte ich Alice verstehen… vermutlich ist es schwer, sich so etwas je zu
verzeihen…
Die
Folgen dieses sich- selbst- nicht- verzeihen- Könnens hat nicht nur sie selbst, sondern hatten vor allem auch ihre
Kinder zu tragen. Die Verletzungen, die Alice ihnen zufügte, verarbeitete jeder
auf seine Weise. Bei Kathleen, der Ältesten waren die Folgen besonders schlimm:
sie verfiel, wie auch ihre Mutter eine Zeit lang, dem Alkohol. Nachdem sie
davon losgekommen war, suchte sie das Weite.
Clare,
die mittlere, kommt in dem Buch nicht selbst zu Wort. Aber auch sie sucht nicht
gerade die Nähe ihrer Mutter.
Patrick,
der jüngste und das liebste Kind seiner Mutter, ist mit Ann- Marie verheiratet, die ihrer Schwiegermutter besser
gefällt, als ihre leiblichen Töchter. Aber auch sie fällt schnell mal bei Alice
in Ungnade.
Es
ist manchmal schwer zu ertragen, Alices Gedanken über ihre Kinder zu lesen oder
zu erfahren, wie sie mit ihnen umgegangen ist, was sie auch heute noch dem
einen oder anderen antut. Wirkliche Zuneigung zu dieser alten Dame zu
entwickeln fällt nicht leicht.
Dieser
Roman bietet keine Lösungen an. Er erzählt vom Leben einer Familie mit den
Worten von vier Frauen dreier Generationen. Am Ende war ich zunächst etwas
ratlos. Fragte mich, wie es weitergehen könnte.
Aber letztlich ist es das Leben
in Familien, das J. Courtney Sullivan beschreibt und das geht immer weiter. Irgendwie. Mal glücklicher, mal weniger glücklich. Jeder einzelne in dieser Familie meistert sein Leben, aber eine gewisse Schwere bleibt... die Vergangenheit wirkt in jedem von ihnen fort, mit all den Momenten, die das Leben nun einmal ausmachen.
Wie
Leo Tolstoi in seinem ersten Satz in „Anna Karenina“ schreibt: „Alle
glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre
eigene Weise unglücklich.“
Diese Familie ist aus meiner Sicht keine durchweg unglückliche Familie, aber zu den glücklichen Familien zählt sie auch nicht... vielleicht ist das irgendwie in allen Familien ein bisschen so?
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