Dieses
kleine Büchlein habe ich mit großem Interesse und begeistert gelesen.
Aufmerksam wurde ich darauf durch den Titel. Auch mich beschäftigt, was ich
täglich beobachte und was von Vielen als „Verfall der Sitten“ bezeichnet wird.
Manchmal frage ich mich, ob ich einfach alt bin und darum so Vieles, was ich
täglich erlebe, kritisch sehe. Das findet man ja zu allen Zeiten, dass die
Alten meinen, der Untergang sei nah, weil die Jugend sich so respektlos
verhalte. Aber aus meiner Sicht, und Axel Hacke bestätigt es in seinem Buch,
ist es nicht nur die Jugend, die sich anders verhält. Es ist ein gesamtgesellschaftliches
Phänomen. Lügen, Unterlassungen, Gemeinheiten, Rücksichtslosigkeit u.ä. sind
gesellschaftsfähig geworden. Wenn man sich anschaut, wie Politiker sich
verhalten, wie manches Presseerzeugnis teilweise bloßstellt und falsche
Meldungen bewusst verbreitet, wie Menschen sich auf der Straße und in
öffentlichen Verkehrsmitteln verhalten dann fragt man sich, ob es denn gar
keinen Anstand mehr gibt, keine verbindlichen Regeln des Umgangs miteinander,
keine Vorstellungen davon, was man tut oder eben lieber nicht tut.
Axel
Hacke beschäftigt sich mit dem Begriff des Anstands intensiv und diverse
Autoren heranziehend. Er bezieht sich auf Knigge und Cicero, auf Kant, Kästner
und Harari, um nur einige zu nennen.
Er
beginnt damit, was Knigge mit seinem Buch, das 1788 in erster Auflage erschien,
eigentlich wollte, indem er es „Über den Umgang mit Menschen“ betitelte. Es war
eben nicht ein reiner Benimm- Leitfaden, es sollte die Menschen befähigen,
respektvoll miteinander umzugehen. Und so zitiert Hacke, nebenbei immer wieder
ein Gespräch mit einem Freund in einer Kneipe dokumentierend, aus verschiedenen
Schriften, zeigt Verständnis, betrachtet aus verschiedenen Blickwinkeln den
Umgang der Menschen mit anderen in unserer modernen Gesellschaft und bietet
damit eine Grundlage zum Nachdenken darüber, wie wir heute miteinander umgehen.
Ein
wichtiger Satz ist für mich ein Zitat von Cicero, das Hacke aus einem Buch des
Germanisten Karl- Heinz Göttert (aus dem Buch „Zeiten und Sitten. Eine
Geschichte des Anstands“) zog:
„’Jeder
habe, Cicero zufolge’, so Göttert, ’den Anspruch darauf, nicht verletzt zu
werden. Wie das Recht darüber wache, dass dies nicht mit dem Messer geschehe,
so der Anstand, dass man mit Worten darauf verzichte’.“
Gefallen
hat mir, dass Hacke keine fertigen Rezepte gibt, sondern den Leser teilhaben lässt
an seinen Gedankengängen und den Gesprächen mit seinem Freund, wie sie viele von
uns sicher auch das eine oder andere Mal schon führten und immer wieder führen
werden.
Am Ende
der Lektüre dachte ich: nein, ich bin nicht alt, wenn auch manch junger Mensch
dies, gemessen an meinen Lebensjahren, meinen kann, ich bin nur unzufrieden
über das, was um mich herum teilweise geschieht. Und ich bin damit nicht
allein. Außerdem hat mich das Nachdenken über dieses Thema wieder einmal
bestärkt in dem, was ich tue und lebe wie meiner Meinung, dass die Grundlage
des Umgangs mit anderen immer das sein sollte, was Axel Hacke am Ende schreibt:
„…Respekt und der Versuch, zu verstehen, Anerkennung, Rücksicht, Wohlwollen, Freundlichkeit
und jene Solidarität, die Grundlage dessen ist, was wir den menschlichen
Anstand nennen könnten.“
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