Mittwoch, 27. Dezember 2017

Axel Hacke "Vom Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen"

Dieses kleine Büchlein habe ich mit großem Interesse und begeistert gelesen. Aufmerksam wurde ich darauf durch den Titel. Auch mich beschäftigt, was ich täglich beobachte und was von Vielen als „Verfall der Sitten“ bezeichnet wird. Manchmal frage ich mich, ob ich einfach alt bin und darum so Vieles, was ich täglich erlebe, kritisch sehe. Das findet man ja zu allen Zeiten, dass die Alten meinen, der Untergang sei nah, weil die Jugend sich so respektlos verhalte. Aber aus meiner Sicht, und Axel Hacke bestätigt es in seinem Buch, ist es nicht nur die Jugend, die sich anders verhält. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Lügen, Unterlassungen, Gemeinheiten, Rücksichtslosigkeit u.ä. sind gesellschaftsfähig geworden. Wenn man sich anschaut, wie Politiker sich verhalten, wie manches Presseerzeugnis teilweise bloßstellt und falsche Meldungen bewusst verbreitet, wie Menschen sich auf der Straße und in öffentlichen Verkehrsmitteln verhalten dann fragt man sich, ob es denn gar keinen Anstand mehr gibt, keine verbindlichen Regeln des Umgangs miteinander, keine Vorstellungen davon, was man tut oder eben lieber nicht tut.

Axel Hacke beschäftigt sich mit dem Begriff des Anstands intensiv und diverse Autoren heranziehend. Er bezieht sich auf Knigge und Cicero, auf Kant, Kästner und Harari, um nur einige zu nennen.
Er beginnt damit, was Knigge mit seinem Buch, das 1788 in erster Auflage erschien, eigentlich wollte, indem er es „Über den Umgang mit Menschen“ betitelte. Es war eben nicht ein reiner Benimm- Leitfaden, es sollte die Menschen befähigen, respektvoll miteinander umzugehen. Und so zitiert Hacke, nebenbei immer wieder ein Gespräch mit einem Freund in einer Kneipe dokumentierend, aus verschiedenen Schriften, zeigt Verständnis, betrachtet aus verschiedenen Blickwinkeln den Umgang der Menschen mit anderen in unserer modernen Gesellschaft und bietet damit eine Grundlage zum Nachdenken darüber, wie wir heute miteinander umgehen.
Ein wichtiger Satz ist für mich ein Zitat von Cicero, das Hacke aus einem Buch des Germanisten Karl- Heinz Göttert (aus dem Buch „Zeiten und Sitten. Eine Geschichte des Anstands“) zog:
„’Jeder habe, Cicero zufolge’, so Göttert, ’den Anspruch darauf, nicht verletzt zu werden. Wie das Recht darüber wache, dass dies nicht mit dem Messer geschehe, so der Anstand, dass man mit Worten darauf verzichte’.“
Gefallen hat mir, dass Hacke keine fertigen Rezepte gibt, sondern den Leser teilhaben lässt an seinen Gedankengängen und den Gesprächen mit seinem Freund, wie sie viele von uns sicher auch das eine oder andere Mal schon führten und immer wieder führen werden.
Am Ende der Lektüre dachte ich: nein, ich bin nicht alt, wenn auch manch junger Mensch dies, gemessen an meinen Lebensjahren, meinen kann, ich bin nur unzufrieden über das, was um mich herum teilweise geschieht. Und ich bin damit nicht allein. Außerdem hat mich das Nachdenken über dieses Thema wieder einmal bestärkt in dem, was ich tue und lebe wie meiner Meinung, dass die Grundlage des Umgangs mit anderen immer das sein sollte, was Axel Hacke am Ende schreibt: „…Respekt und der Versuch, zu verstehen, Anerkennung, Rücksicht, Wohlwollen, Freundlichkeit und jene Solidarität, die Grundlage dessen ist, was wir den menschlichen Anstand nennen könnten.“




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