Dieses Buch las ich schon vor einiger Zeit und als ich nun darüber schreiben wollte, blätterte ich noch einmal darin… und las mich erneut fest daran. Nicht dass ich mich nicht mehr an den Inhalt erinnert hätte, aber die Geschichte zog mich wieder in ihren Bann. Und natürlich wusste ich nicht mehr jedes Detail. Das war ja der Grund, warum ich dieses Blog vor sieben Jahren einrichtete. Ich lese viel und tauche mit Begeisterung in die Geschichten ein. Aber wenn eine Zeit vergangen ist, dann weiß ich entweder den Namen des/ der Autor_in nicht mehr oder der Titel fällt mir nicht ein oder ich erinnere wesentliche Details nur noch ungenau. Aufgrund einer beruflichen Veränderung kam ich in den vergangenen vier Jahren kaum noch dazu, über die Bücher zu schreiben, die ich las- immerhin das Lesen konnte ich mir trotz der vielen Arbeit erhalten J
Doch nun habe ich mir vorgenommen, wieder öfter zu schreiben und eben auch über Bücher, die ich in den zurückliegenden Jahren las und über die ich noch nicht schrieb.
Nun also zu „Machandel“. Der Titel ist gleichzeitig auch der- fiktive- Name eines Dorfes im Norden des Landes Brandenburg. In diesem Dorf entdeckt eine junge Frau, Clara, im Jahr 1985 eine verfallene Kate. Gemeinsam mit ihrem Mann Michael, beginnt sie, diese herzurichten und bewohnbar zu machen. Ein Refugium entsteht.
In den Ort kam Clara, weil sie ihren älteren Bruder Jan begleitete. Der hatte in Machandel seine Kinderjahre bis zur Einschulung verbracht und wollte sich von dem Dorf verabschieden. Er hatte einen Ausreiseantrag gestellt und würde am nächsten Tag die DDR verlassen.
Regina Scheer erzählt in ihrem Roman von den letzten Jahren der DDR, von der Bürgerrechtsbewegung, aber auch von der Zeit des zweiten Weltkrieges, von Flucht und Vertreibung und vom Schweigen, wie es in vielen Familien existiert. Mit einem Zitat des jüdischen Gelehrten Rabbi Israel ben Elieser macht Regina Scheer den Grundton des Buches deutlich: „Das Vergessenwollen verlängert das Exil und das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung.“
Clara findet auf dem Dachboden der Kate ein Fotoalbum und beginnt im Dorf Fragen zu stellen. Nach und nach entblättern sich viele Lebensgeschichten, die alle irgendwie miteinander zusammenhängen…
Während der Jahre, in denen sie die Kate ausbauen, schreibt Clara außerdem an ihrer Dissertation. Darin beschäftigt sie sich mit dem Märchen vom Machandelboom. Machandel ist die niederdeutsche Bezeichnung für Wacholder. Bei meiner Recherche fand ich auch einen Wikipedia- Eintrag über einen Schnaps, der diesen Namen trägt.
Das Märchen vom Machandelboom ist grausam, wie viele Märchen. Aber es erzählt auch von der heilenden Kraft der Erinnerung, die in dem Märchen zu einem glücklichen Ende beiträgt.
Ein wenig fühlte ich mich melancholisch, als ich mich heute zwei Stunden erneut in das Buch vertiefte. Erinnerung ist nicht immer heiter, sie ist oft auch mit Schmerz verbunden. Vielleicht war es das, was ich zwischen den Zeilen spürte. An einer Stelle lässt die Autorin einen Protagonisten denken: „… man nimmt das frühere Leben immer mit, und das Vergangene ist nicht vergangen.“
So ist dieses Buch allen denen zu empfehlen, die gern Geschichten lesen, in denen die Gegenwart mit der Vergangenheit in Verbindung gebracht wird, in denen man sich beim Lesen selbst erinnert oder Fragen über die eigene Familien- Vergangenheit stellt. Interessant ist auch, wie genau die Autorin die Stimmung in den letzten Jahren der DDR einfängt- man spürt die Ohnmacht, die Wut, die Angst, das Aufbegehren- diese ganze Mischung aus Gefühlen, die mit jedem Jahr in jenem Land, das es nicht mehr gibt, zunahmen… Insofern gibt diese Geschichte auch all jenen einen realistischen Eindruck dieser Zeit in der damaligen DDR, die sie nicht erlebt haben oder lässt Erinnerungen wach werden bei denen, die dort waren…
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