Dienstag, 23. Februar 2016

Knut Elstermann „Meine Winsstraße“

Knut Elstermann ist Moderator meiner Lieblingsradiosendung am Samstag auf Radio 1. Er bespricht dort die neuesten Kinofilme und oft sehe ich mir die in dieser Sendung besprochenen Filme dann auch an. Er hat eine für mich sehr angenehme, unaufgeregte und doch interessierte Art, die Filme zu besprechen, Fragen zu stellen und sich auf Meinungen einzulassen.
Nun habe ich ein Buch von ihm gelesen. Er beschreibt darin eine Berliner Straße, die Winsstraße im Prenzlauer Berg. Die Straße, in der er aufgewachsen ist, die er als Kind erlebte.
Was er in diesem kleinen Buch zusammenträgt, ist ausgesprochen interessant, zumindest dann, wenn man sich ein wenig für das interessiert, was vorher war.
Ich persönlich frage mich oft, was die Mauern wohl erzählen würden, wenn sie unsere Sprache sprächen. Knut Elstermann hat die Menschen befragt. Manche, die schon in seiner Kindheit in der Winsstraße wohnten, manche, die später zuzogen, manche auch von den ganz neuen Mietern oder Eigentümern.
Jedem Bewohner der Winsstraße kann ich dieses Buch nur empfehlen, aber auch jedem, der sich für die Geschichte des Prenzlauer Bergs interessiert. Denn ein wenig zumindest, spiegelt die Geschichte dieser Straße, die Geschichte dieses Viertels wieder.
Vielleicht wird es aber auch noch andere Menschen geben, die sich auf Spurensuche begeben und Kindheitserlebnisse mit der Geschichte ihrer Straße und den Geschichten der anderen Bewohner zusammentragen und zu einem kleinen Buch verweben. Nicht jeder wird Entdeckungen ganz persönlicher Natur machen, wie es Knut Elstermann widerfuhr, lohnend ist es aber sicher in jedem Fall.


Abbas Khider "Brief in die Auberginenrepublik"

Ich begann dieses Buch mit der Zuversicht zu lesen, dass Salims Brief aus Libyen Samia im Irak erreichen werde. Unter ungewöhnlichen Umständen, nicht auf dem normalen Postweg, aber er würde sie erreichen. Nach der Hälfte des Buches jedoch begann diese Hoffnung zu schwinden. Wie es ausgeht, will ich hier nicht verraten, sonst lohnt sich für manchen vielleicht die Lektüre nicht mehr.
Was Abbas Khider in diesem Buch (wieder) gelingt, ist die Beschreibung des Lebens der Menschen und das Halten der Spannung der Geschichte bis zur letzten Seite.

Samstag, 20. Februar 2016

Judith W. Taschler „ Die Deutschlehrerin“

Es beginnt mit einem E- Mail- Wechsel. Ein Projekt „Schüler/in trifft Autor/in“ führt dazu, dass sich zwei Menschen wiederbegegnen, die sich vor langer Zeit einmal liebten, ein Paar waren.  Ihre Beziehung endete sechzehn Jahre zuvor abrupt. Jedenfalls empfindet Mathilda es so. Xaver macht sich aus dem Staub. Hat eine andere Frau, die ein Kind erwartet. Er heiratet sie sehr schnell. Er meint, dass das Ende ja schon absehbar war.
Das, was Judith Taschler daraus in ihrem Buch macht, ist psychologisch aufgeladen. Schnell merkt man, dass es da etwas Dramatisches gibt. Ein Kind ist verschwunden. Xavers Kind oder zumindest das, das seine Frau zur Welt bringt. Vieles in diesem Roman bleibt lange in der Schwebe und wird erst ganz am Ende gelöst. Nicht alles, aber doch vieles.
Es ist dieses stückchenweise Erkennen, nach und nach. Zwischendurch Zweifel und begreifen, dass es doch nicht so sein kann. Am Ende dann noch ein Schock.

Zweihundertdreiundzwanzig Seiten Spannung, Eintauchen in die Vergangenheit eines Paares, existenzielle Fragen, die den Leser unter Umständen erschüttern können. Wie hätte ich mich verhalten? Was hätte die beiden retten können? An welcher Stelle hätte sich wer anders verhalten müssen, um das Leben anders verlaufen zu lassen? Fragen, die sich jeder sicher immer mal stellt. Fragen, auf die dieses Buch den Leser wirft.

Mittwoch, 3. Februar 2016

Abbas Khider „Die Orangen des Präsidenten“

„Meine Mutter weinte, wenn sie sehr glücklich war. Sie nannte diesen Widerspruch „Glückstränen“.“ So beginnt dieses Buch von Abbas Khider. Sein erstes. Er beschreibt darin das Leben eines jungen Mannes im Irak. Mahdi Muhsin wird am Tag seiner Abiturprüfung vom irakischen Geheimdienst verhaftet. Zwei Jahre verbringt er im Gefängnis, abgeschnitten von allem Leben unter schrecklichsten Bedingungen. Khider beschreibt diese Zeit so eindrücklich, dass ich froh war, dass er die Gefängnis- Kapitel abwechselte mit jenen, in denen er den Lebensweg des Jungen bis zum Zeitpunkt der Verhaftung erzählt, von seiner Kindheit, seiner Freundschaft zu einem Taubenzüchter, der seine Liebe zu den Tauben weckt… Der Junge hat es nicht leicht gehabt und nun wird er grundlos verhaftet und es werden ihm zwei Jahre seines jungen Lebens nicht nur gestohlen, sondern zur Hölle gemacht.