Donnerstag, 24. März 2016

Veronica Roth „Die Bestimmung“

Eigentlich lese ich nicht gern Science Fiktion- Romane. Aber meine Tochter gab mir den ersten Teil der Trilogie „Die Bestimmung“ und meinte, ich müsse den lesen. Ich dachte: Naja, kann ich ja mal reinlesen. Und dann war ich doch gefesselt.
Die Welt, die Veronica Roth erschafft, ist in fünf Fraktionen unterteilt. Die Amite, die Friedfertigen, immer Lächelnden, die die Landwirtschaft betreiben und sich nie streiten. Die Altruan, die Selbstlosen, die sich in Grau kleiden und jeglichen Eitels sich verwehren, die sich für die Schwachen einsetzen und sie selbstlos versorgen. Selbst Spiegel sind bei ihnen verboten, weil sich selbst zu betrachten, von Eitelkeit zeugen würde. Die Candor, die Freimütigen, die nie lügen, die schonungslos ehrlich sind, auch wenn sie andere damit verletzen. Sie meinen, dass Höflichkeit auch nur eine Form der Lüge und Heuchelei sei. Die Ken sind die Wissenden, die Forscher, die Wissen über alles andere stellen, ggf. auch über das Leben selbst. Und schließlich die Ferox, die Furchtlosen, die Wagemutigen, die Kämpfer.
Alle Fraktionen stellen menschliche Eigenschaften dar. Nur wird hier jeweils eine bestimmte Gruppe von Eigenschaften zur Norm erhoben. Wer zu einer Fraktion gehört, hat deren und nur deren Eigenschaften zu kultivieren. Es gilt die Regel „Fraktion vor Blut“. Das heißt, egal aus welcher Fraktion man kommt, wenn man sich, wie im Buch beschrieben, im Alter von sechzehn Jahren für eine Fraktion entscheidet, dann hat man dieser Fraktion und deren Gesetzen zu folgen, egal ob die Herkunftsfamilie dort oder in einer anderen Fraktion lebt.
Ich fand es spannend, dass die jungen Menschen in diesem Roman sich im Alter von sechzehn Jahren entscheiden müssen, welcher Fraktion sie ihr zukünftiges Leben widmen wollen. Viele entscheiden sich für ein Leben in der Herkunftsfraktion, weil es ihnen vertraut ist und somit Sicherheit bietet, aber einige wechseln auch. Das ist wie im realen Leben. Oft entscheiden sich Kinder aus gutbürgerlichen Familien für ein Leben im Ungewissen, wählen die Gefahr, weil es aufregender ist, als das, was sie bisher erlebten, weil sie neugierig sind, weil sie etwas ausprobieren wollen. Oder Kinder aus besonders intellektuellen Elternhäusern opponieren gegen die Eltern, indem sie gerade nicht studieren, sondern einfach durch ihr Leben treiben, in Kommunen leben und das Leben genießen, wie es ihnen begegnet.
In dieser Trilogie wechselt ein Mädchen namens Beatrice aus der Fraktion der Altruan, der Selbstlosen, zu den Ferox, den Kämpfern. Bei dem Test, der kurz vor der Entscheidung stattfindet und der den Initianten eine Orientierung geben soll, stellt sich heraus, dass sie keine sichere innere Richtung hat, in die sie gehen soll. Sie ist damit eine sogenannte „Unbestimmte“. Ein Mensch also, wie wir alle es sind. Sie trägt Eigenschaften in verschiedenen Ausprägungen in sich. Sie könnte bei den Altruan bleiben, bei denen sie aufgewachsen ist. Sie könnte zu den Candor gehen oder auch zu den Ferox.
Die Tatsache, dass sie eine, in der Welt dieses Romans, „Unbestimmte“ ist, macht sie zu einer Gefahr für die Gemeinschaft. Denn diese Gemeinschaft lebt davon, dass die Menschen sich klar zu einer bestimmten Fraktion bekennen. Die Unbestimmten gelten als Ausgestoßene und leben auch so. Sie werden Fraktionslose genannt und das kommt einem Todesurteil gleich.

Beatrice jedoch hat Glück. Die junge Frau, die sie getestet hat und ihre Unbestimmtheit feststellte, fälscht die Ergebnisse im System. Tris, wie sich Beatrice daraufhin nennt, geht zu den Ferox. Sie lernt zu kämpfen, sich durchzusetzen und sich ihren Ängsten zu stellen.

Der erste Teil der Trilogie war für mich spannend und ich wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht. Der zweite Teil war eine Enttäuschung. Es war ein wenig so, als würde ich hingehalten. Am Ende dachte ich: naja, einen Versuch war es wert. Dann las ich aber doch noch den dritten Teil, weil meine Tochter nicht locker ließ und meinte, dass dieser Teil die Aufklärung brächte, die ich mir wünschte. Und tatsächlich: ich war fasziniert. Ein wenig schwingt darin Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“. Vermutlich ist jener Roman sowieso ein Muss für jeden Science Fiction- Liebhaber. 
Die Vermutung, dass wir alle gesteuert werden, dass unser Leben ein von außen gesteuertes Experiment ist, schwingt auch in Victoria Roths drittem Teil der Trilogie „Die Bestimmung“ mit. Was wissen wir denn? Was ist real? Was wird von außen gesteuert? Wie viele Möglichkeiten haben Wissenschaftler schon jetzt, uns zu steuern?
In der Trilogie gibt es Seren, die Menschen verabreicht werden können und die sie wahlweise alles vergessen, friedfertig werden, sie durch Angstlandschaften wandern oder morden lassen. Ist dies nicht längst möglich? fragt man sich.

Die Lektüre dieser Trilogie wirft jedenfalls diese Fragen auf. Die Frage auch nach dem Sinn oder Unsinn von Genmanipulation. Danach, ob Menschen „besser“ gemacht werden können, wenn man ihre Gene manipuliert oder ihre Erinnerungen löscht. 
Eine Figur aus den drei Teilen, die als Mensch mit skrupellosem und boshaftem Verhalten dargestellt wird, wünscht sich im dritten Teil das Gedächtnisserum, das seine Erinnerungen löscht, damit er endlich ein besserer Mensch werden kann. Aber funktioniert das? So ganz wird das nicht klar. Aber diese Figur hat zumindest genau diese Hoffnung, als sie sich dieses Serum verabreicht. Ob er wirklich ein besserer Mensch wird, bleibt offen. Eine der Fragen, die dieses Buch aufwirft, ohne sie zu beantworten. 
Auf jeden Fall lohnt sich die Lektüre, denn sie regt an, darüber nachzudenken, wie die menschliche Gesellschaft funktionieren kann. Die menschliche Gesellschaft mit all ihren menschlichen Eigenschaften, die nun einmal nicht nur gut und mitmenschlich, sondern auch egoistisch, gewalttätig, neidisch, missgünstig, unehrlich usw. sind. 

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