Sonntag, 12. Juni 2016

Bernhard Schlink „Die Frau auf der Treppe“

Ich hörte von diesem Roman im Radio. Eine Buchbesprechung. Ich hatte schon einige Bücher von Bernhard Schlink gelesen, wenn auch bei weitem nicht alle. Was ich las, gefiel mir. Es ist diese nachdenkliche Art des Schreibens, die mir gefällt, dieses Lauschen nach dem, was klingt, was sich regt, wenn man sich erinnert oder/ und wenn man Menschen aus seiner Vergangenheit in der Gegenwart wieder begegnet.
In diesem Buch geht es zunächst um ein Gemälde. Eine Frau, die nackt eine Treppe herunter steigt. Hin zum Betrachter. Der Protagonist entdeckt das Bild nach vielen Jahren zufällig in einer Galerie. Er befindet sich auf Geschäftsreise in Australien. Das Bild und alles, was damit zusammenhing in den Anfangsjahren seiner Tätigkeit als Anwalt, hatte er aus seinem Bewusstsein verbannt. 
Damals stritten zwei Männer um das Bild und um die Frau darauf. Er, der junge Anwalt, war der dritte Mann, der meinte, sich in die Frau verliebt zu haben. Er wurde hineingezogen in die Geschichte, erst als Anwalt des Malers, dann auch durch den Auftraggeber des Gemäldes und schließlich durch die Frau. Er mischte sich verliebt hoffend ein und alles ging schief oder verlief jedenfalls nicht so, wie der junge Anwalt es sich damals dachte, ausdachte, phantasierte.
Nun steht er als alter Mann vor dem Bild und alles steigt wieder auf, drängt in sein Bewusstsein.
Die Geschichte, die Bernhard Schlink hier entwickelt, erzählt auf zwei Zeitebenen, das Geschehen von damals und heute. Drei Männer „streiten“ um eine Frau, zwei von ihnen auch um das Bild. Man hat den Eindruck, dass keiner sich wirklich weiterentwickelt hat, obwohl seit damals vierzig Jahre vergangen sind. Der Protagonist steht zu dem, was er in seinem Leben tat, wie zu dem, was er nicht tat. In die Seelen und das Leben der beiden anderen schaut man nicht so genau. Man betrachtet sie eher von außen, ihr Verhalten und ihr Verhältnis zu der Frau und zu dem Bild.
Die Geschichte hat mich ein wenig melancholisch gemacht, aber auch nachdenklich. Wann ist alles festgelegt? Entwickelt man sich wirklich immer weiter? Oder sind bestimmte Dinge unveränderlich ab einem bestimmten Alter? Naja und irgendwie auch die Frage: Was ist Liebe?
Der Schluss des Buches, lässt ahnen, dass der nun alte Anwalt, etwas entscheidend verändern wird in seinem Leben. Was genau und wie, das erfährt man nicht. Aber das ist auch nicht wichtig. Entscheidend ist, dass er berührt wurde, dass er erwacht, dass er die Jahre, die er noch hat, anders leben will. Bewusster vielleicht. Jedenfalls war das mein Eindruck.

Weitere Empfehlungen zu Büchern von diesem Autor, die ich gelesen habe:

"Der Vorleser" (vielen sicherlich bekannt, evtl. auch durch die Verfilmung)
"Liebesfluchten" und "Sommerlügen" (beides Kurzgeschichten- Bände)
"Das Wochenende" (Roman über einen, der nach 20 Jahren Haft entlassen wird und Freunden von damals begegnet, ebenfalls verfilmt- 2013 mit Katja Riemann und Sebastian Koch)


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