Donnerstag, 23. Juli 2020

Elizabeth Strout „Mit Blick aufs Meer“ und „Die langen Abende“

Bei einem meiner Streifzüge durch die Buchhandlung fand ich den Roman „Die langen Abende“ von Elizabeth Strout. Auf dem Buchrücken stand, dass es in diesem Buch ein Wiedersehen mit Olive Kitteridge gäbe. Das sagte mir nichts, obwohl ich doch schon einige Bücher der Autorin gelesen hatte. Also beschloss ich, zunächst das Buch „Mit Blick aufs Meer“ zu lesen, in dem jene Olive die Heldin war und für das Elizabeth Strout 2009 den Pulitzerpreis erhielt.

Nein, ich bin nicht der Meinung, dass ein Buch gut ist, nur weil es einen Preis erhielt. Aber da mir die Schreibweise der Autorin gefiel und ich eine Reihe gern von vorn beginne, las ich also zuerst „Mit Blick aufs Meer“ und dann die Fortsetzung „Die langen Abende“.

Elizabeth Strout beschreibt das Leben in einem kleinen fiktiven Ort an der Küste von Maine. Sie beobachtet genau und wertet nie. Das führt dazu, dass sich der Leser so fühlt, als wäre er selbst dort und würde sehen, was vor sich geht. Irgendwann stellt man fest: Das ist, was man auch in seiner eigenen unmittelbaren Umgebung beobachten kann. Angeregt durch die Lektüre, schaut man genauer hin, sieht plötzlich bei sich selbst oder den Nachbarn Dinge, die sonst eher vorbeirauschen, nicht auffallen oder verdrängt werden.

Die einzelnen Kapitel (in beiden Büchern) scheinen manchmal ohne Zusammenhang zu sein, da immer wieder von anderen „Häusern“ (im Sinne von Familien/ Schicksalen) erzählt wird. Häufig dachte ich an den Spruch einer meiner Großmütter: „Unter jedem Dach ein Ach!“ Nein, lustig ist das selten. Auch nicht so, dass man es erstrebenswert fände. Und doch ist es eben das Leben mit allen seinen Höhen und Tiefen, die es für jeden Menschen hat. 

Die Verbindung zwischen diesen unterschiedlichen Leben stellt immer wieder Olive Kitteridge dar. Sie taucht mal intensiver, mal nur kurz in jeder der Geschichten auf. Auf diese Weise wird im Grunde das Leben der Olive Kitteridge erzählt. Man begleitet sie von der Zeit als junge Mutter über die mittleren Jahre (im ersten Buch) bis ins hohe Alter (im zweiten Buch).

Olive war Mathematiklehrerin am örtlichen College. Sie kennt dadurch viele Menschen des Ortes und ist selbst bekannt. Viele mögen sie nicht, da sie sehr pragmatisch und oft auch barsch reagiert. So sagt sie auf die Frage ihrer Schwiegertochter, wo denn im Haus immer der Weihnachtsbaum gestanden habe, sinngemäß: „Bei mir war nie Weihnachten!“ Sie meint es nicht so, kann aber manchmal nicht aus ihrer Haut und reagiert so, dass sie die anderen vor den Kopf stößt. Andrerseits besucht sie z.B. eine krebskranke ehemalige Schülerin und hilft ihr gerade mit ihrer eher kurz angebundenen und praktischen Art mit Problemen umzugehen.

Bei der Lektüre des zweiten Buches dachte ich manchmal: ja, das kann niemand aufhalten- alt werden wir alle! 

Intensiv zu spüren und aus meiner Sicht Hauptthema des zweiten Buches ist die Einsamkeit. Letztlich ist jeder allein. Olive sagt sinngemäß: wir kommen allein auf die Welt, beim Verlassen sind wir wieder allein und zwischendurch ist es auch nur scheinbar anders.

Das sehe ich nicht ganz so. Aber wie ein Mensch in Krisensituationen (ist das Alter/ das nahe Ende eine Krisensituation? Das wäre ein spannendes Diskussionsthema.) aufgestellt ist, hängt sicherlich damit zusammen, ob er sich ein soziales Umfeld geschaffen hat oder das Alleinsein vorzog. Manchen Menschen sind andere Menschen einfach zu anstrengend- sind diese Menschen einsam? Oder sind selbst Menschen mit einem großen Freundeskreis einsam, weil Freundschaft auch unterschiedlich interpretiert und gelebt wird?

Solche Fragen löste das Buch bei mir aus und ich bewege sie immer mal wieder in meinem Kopf… vielleicht finden sich ja Leser dieser Bücher, die gern darüber mit mir in den Austausch gehen werden ;)

 

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