Ich
hatte dieses Buch schon lange auf meiner Liste. So oft hörte oder las ich
irgendwo ein Zitat aus diesem Roman oder nahm jemand Bezug zu dieser
Geschichte.
„Wer
die Nachtigall stört“ ist ein wundervoller Roman über die dreißiger Jahre in einem
kleinen Städtchen in den Südstaaten der USA. Erzählt wird die Geschichte aus
der Sicht eines achtjährigen Mädchens, Jean Louise Finch, genannt Scout. Sie
lebt mit ihrem vier Jahre älteren Bruder Jeremy, genannt Jem, ihrem Vater,
Atticus Finch und einer schwarzen Haushälterin, Calpurnia, in Maycomb. Ihre
Mutter ist verstorben, als Scout noch so klein war, dass sie meint, sich nicht
mehr an sie erinnern zu können.
Atticus
Finch arbeitet als Anwalt und wird eines Tages als Pflichtverteidiger für einen
Schwarzen berufen, der angeblich eine Weiße vergewaltigt haben soll. Der
Prozess wird öffentlich abgehalten und der gesamte Ort, auch die Kinder wohnen
ihm bei.
Die
kleine Scout stellt viele Fragen und ihr Vater Atticus beantwortet sie geduldig
und ehrlich. Er vermittelt seinen Kindern ein differenziertes Menschenbild und
erinnert sie stets daran, sich ihre Menschlichkeit zu bewahren sowie jedem
Menschen, egal welcher Hautfarbe, freundlich zu begegnen.
Das
Buch beschreibt detailreich und liebevoll das Leben der Menschen in dieser
Kleinstadt. Manchmal glaubte ich, die Hitze des Sommers zu spüren, das
Schlurfen von Schritten zu hören oder den Staub der Straßen, den Schweiß der
Menschen in diesem Gerichtssaal zu riechen… Es stellt aber auch schmerzhaft
dar, wie viel Ungerechtigkeit einem Menschen widerfahren kann, wenn er mit der
„falschen“ Hautfarbe geboren wurde. Zwar hat sich diesbezüglich in den USA
inzwischen einiges geändert, aber manchmal scheint es, als würde es noch sehr
lange dauern, bis auch der letzte Amerikaner wirklich verinnerlicht hat, wofür
Atticus Finch schon damals stand.
Der
Roman wurde in den USA zur Schullektüre und mit ihm Atticus Finch zum Vorbild
eines guten Amerikaners. Menschlich, freundlich und ohne jeden Dünkel.
Das
Buch erschien 1960 in den USA und 1962 in Deutschland. Es war Harper Lees
erstes und einziges Buch. Es gab das Gerücht, sie habe es gar nicht selbst
geschrieben, sondern Truman Capote, mit dem sie aufgewachsen ist und dem sie
bei den Recherchen zu seinem Tatsachenroman „Kaltblütig“ unterstützt hatte.
Capote hat dieses Gerücht nie bestätigt, aber auch nie eindeutig dementiert…
Bei
meinen Recherchen zu Harper Lee, fand ich nicht viel. Ich hätte gern gewusst,
ob sie je verheiratet war oder Kinder hat. Darüber fand ich aber nirgends
etwas.
Im
Juli 2015 erschien nun, 55 Jahre nach dem ersten Buch, ein weiteres von Harper
Lee mit dem Titel „Gehe hin und stelle einen Wächter“. Es soll das Manuskript
sein, dass Harper Lee zuerst bei einem Verlag einreichte und aus dessen
Überarbeitung der Welterfolg „Wer die Nachtigall stört“ entstand. Dieses neue
Buch spielt in den fünfziger Jahren und stellt Atticus Finch als Rassisten dar.
Ich habe nach der Lektüre des folgenden Artikels
nicht
wirklich Lust, dieses zweite Buch zu lesen. Allerdings denke ich, dass der
Zauber des ersten Buches nie verloren gehen wird. Menschen ändern sich. Warum
sollte Atticus Finch davon verschont werden? Aber will ich diese Erfahrung
machen? Ist es nicht schöner, sich die Illusion zu bewahren, dass es Menschen
wie diesen Atticus Finch gibt? Menschen, die menschlich sind und es immer
bleiben. Die Hoffnung auch, dass Menschlichkeit möglich ist?
Ich
habe noch nicht entschieden, ob ich dieses zweite Buch von Harper Lee lesen
werde. Wenn ich es lese, werde ich hier auf jeden Fall darüber schreiben.
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