Wessex,
die Landschaft, die Hardy erfand für seine Geschichten. Weites Land, grüne,
saftige Wiesen, Wälder. Vereinzelte Gehöfte, kleine Dörfer. Der Rand der Welt.
Ruhig. Äußerlich ruhig. Doch Hardy schaut genauer hin. Schaut hinein in diese
Welt. Und da ist es zwar immer noch grün, aber nicht mehr so ruhig, wie man es
am Rand der Welt vermutet. Denn auch dort leben Menschen. Und Menschen haben
nicht nur positive Eigenschaften. Auch nicht am Rand der Welt, wenn er auch
noch so grün ist. Mit Neid, Missgunst, Hass und Gier muss auch hier jeder
rechnen. Genauso wie natürlich mit allem Positiven, das der Mensch so an sich hat.
Und
das beschreibt Thomas Hardy in diesem Roman. Den Kampf der Menschen mit sich,
mit der Natur und eben auch jenen, den sie zu allen Zeiten mit- und gegeneinander
austragen.
Im
Mittelpunkt steht eine junge Frau, Bathsheba die eine Farm erbt. Sie steht
ihren Mann, sie setzt sich durch und führt den Hof erfolgreich, entgegen aller
Zweifel der Männerwelt. Eine ungewöhnliche Frau in Hardys Zeit, in der Frauen
so etwas eben nicht zugetraut wurde. In der Frauen in der Mehrheit froh waren,
wenn sie geheiratet wurden und sie sich um Herd und Haus und Kinder kümmern
durften. Eine Zeit, in der sich Männer wie Frauen darüber wunderten, wenn eine
Frau diese Träume nicht teilte, sondern selbstbestimmt leben wollte.
Ich
brauchte einige Seiten, bis ich mich an Hardys Sprache gewöhnt hatte. Den Rest
des Buches war das Lesen mir Genuss. Die genauen Beschreibungen der Menschen
und der Räume, innerer wie äußerer, in denen sie sich bewegten sowie die Poesie
seiner Worte zogen mich in ihren Bann. Ich saß nicht auf meiner Couch, sondern
lief über die saftig grünen Felder auf denen der gelbe Hahnenfuß blühte, saß
mit den Männern in Warrens Mälzerei, stand zwischen den Händlern in der
Markthalle und sah bei der Schafschwemme zu…
Ich
bewunderte diese junge, stolze und selbstbewusste Frau mit dem schönen Namen
Bathsheba. Aber auch der Schäfer Gabriel faszinierte mich. Vor allem seine
Geduld, seine Bescheidenheit und Ehrlichkeit, seine Ruhe in allen Lebenslagen
und seine Gewissheit bezüglich seiner Gefühle. Geduld ist Stärke aus meiner
Sicht. Jedenfalls empfand ich es bei dieser Figur so.
Beeindruckend
fand ich, wie Hardy herausarbeitet, dass die wunderschöne, starke Bathsheba in
dem Moment, in dem sie Gefühle zulässt, komplett ihren Verstand und ihre Kraft
verliert.
Ich
habe in dieser Geschichte, obwohl sie mit dem heutigen Leben nicht direkt
vergleichbar ist, so viele Leidenswege heutiger Frauen wiedererkannt und auch
einige törichte eigene Handlungen. Vernebelt die Liebe, die Sehnsucht nach Nähe
und Geborgenheit den Frauen grundsätzlich den Verstand? Warum verfallen gerade
solche Frauen den größten Narren? Ist das etwas, was sich nie ändern wird, egal
wie selbstbewusst und stark Frauen ihr Leben gestalten? Egal, wie viel
Gleichberechtigung ihnen von der Gesellschaft zugestanden wird?
Ich
befürchte es, wenn ich mich erinnere und umschaue. Vielleicht sind es gerade
die besonders eigenständig lebenden Frauen, die sich so völlig verlieren, wenn
sie sich Gefühle zugestehen. Haben sie zu wenig Erfahrung mit Gefühlen, weil
Gefühle keinen Platz haben in einem Alltag, den Frau selbständig bewältigt?
Vielleicht ist es genau das. Wenn die Gefühle sich dann plötzlich Bahn brechen,
dann sind sie bei diesen Frauen nicht mehr zu kontrollieren und sie verlieren
im wahrsten Sinne des Wortes den Verstand. Da können andere reden, was sie
wollen. Diese so eigenständige Frau, die so stark und allein und sicher ihren
Alltag meistert, meint eben auch dann, dass sie alles im Griff hat und richtig
sieht. Erst wenn alles in Scherben liegt, erkennt sie, dass dem eben nicht so
war. Dass die anderen doch recht hatten.
Es ist
für mich eine der Besonderheiten des Buches, dass dieses Bild, das Hardy von
Bathsheba, den Männern, die um sie werben, aber auch von der menschlichen
Gemeinschaft zeichnet, wie eine Schablone auch heute noch passt.
Die
beiden folgenden Zitate sollen dies beispielgebend verdeutlichen:
„Die Liebe ist stark im Bereich
des Möglichen, in der Wirklichkeit macht sie schwach;…“
„Es ist eine Binsenweisheit, dass
es ebenso wenig ein Patentrezept gegen Verliebtheit wie für ihr Gegenteil gibt.
Manche glauben, dass die Ehe ein Ausweg ist, aber bekanntlich geht das oft
daneben.“
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