Samstag, 5. Juli 2014

Eva- Maria Zurhorst „Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest“

Das Buch ließ eine Bekannte, bei mir liegen. Die Gute durchlebt gerade wieder einmal eine besonders schwere Krise mit ihrem Mann und meinte, dass sie den Buchtitel witzig fand. Mit einem Lächeln fügte sie hinzu: „Wenn man sich so umsieht, dann ist es doch nirgendwo rosarot! Überall Probleme! Da kann man auch gleich bei dem bleiben, den man schon ne Weile hat- den kennt man wenigstens! Bei nem Neuen weiß man ja auch nich, was drin is, wenn man auspackt. Naja und die Dame hat ja vielleicht ein paar Tipps, wie man das Ganze angenehm gestalten kann? Ich meine, das mit dem sich- selbst- lieben das wissen wir ja, nich? Aber was nützt es, wenn ich mich mit mir wohl fühle, mein Mann aber immer was an mir auszusetzen hat? Na, ich werd sehn, was Frau Zurhorst dazu sagt!“
Nun war sie weg und das Buch lag da. Neugierig nahm ich es zur Hand- der Titel regte in mir Widerspruch: zum Einen wissen wir alle, dass es wichtig ist, sich selbst zu mögen, wenn man harmonische Beziehungen eingehen will. Aber der zweite Teil des Titels, dass es egal sein soll, wen ich heirate- was will die Frau damit sagen??? Geh auf die Straße, schnapp dir einen, heirate ihn und du wirst glücklich mit ihm werden?
Nun gut, vielleicht meint sie ja, dass es sich lohnt, nicht gleich bei den ersten Schwierigkeiten auseinander zu laufen? Dass eine glückliche Ehe immer auch Arbeit bedeutet? Und, so dachte ich, vielleicht gibt sie in diesem Buch Hinweise, WIE es gelingen kann? Es gibt in meinem Umfeld genug Leute, die mit ihren Beziehungen unzufrieden sind und also öffnete ich interessiert das Buch.
Ich durchblätterte das Inhaltsverzeichnis und war unangenehm berührt von den, für meine Begriffe doch recht reißerischen Kapitelüerschriften in dem 377 Seiten dicken Buch: „Der einzig wahre Partner sind Sie selbst“, „Ihr Partner spielt nur eine Rolle in Ihrem Stück“ seien hier mal als Beispiele genannt. Dennoch begann ich zu lesen, ging aber schon bald zum Querlesen über. Immer wieder formuliert Frau Zurhorst die gleichen Aussagen mit anderen Worten, zitiert aus einschlägigen esoterischen und anderen Ratgebern, die ihr selbst so wunderbar geholfen haben und schwärmt vor allem von ihrer eigenen wundervollen Ehe. Dass sie offensichtlich glücklich darüber ist, dass sie mit ihrem Mann so viele Krisen immer wieder und so leichtfüßig überwindet, dass sie immer wieder auf Wolke sieben schweben, ist ja, das finde ich auch und gönne es jedem, wundervoll. Auch für Leute, die gerade im Moment nicht wissen wie es weitergehen soll, die darum dieses Buch kauften, ist es sicher gut zu hören, dass es Menschen gibt, die es geschafft haben. Aber über hunderte von Seiten und immer wieder??? Und kein handfester Rat, keine praktische Handlungsanweisung in Sicht! Da sinkt man immer tiefer oder blättert immer schneller, frei nach dem Motto: da muss doch irgendwann mal was kommen! Irgendein Hinweis außer den lapidaren: Finde zu dir selbst! Spüre deine Kraft! Sag, was du denkst! Als ob man das nicht alles schon probiert hätte! Man dachte doch, hier gäbe es etwas, das über die eigenen kläglichen Versuche hinaus geht! Aber weit gefehlt, leider. Gut, man kann mir vorhalten, dass ich ja nicht alles gelesen habe. Aber ich habe in jedes Kapitel hineingelesen und, da es jedes Mal nichts bedeutendes gab, den Rest dann überflogen. Wirklich eine unglaubliche Verschwendung von Papier, wenn man bedenkt, dass Frau Zurhorst dieses Buch nicht nur für sich geschrieben hat, sondern es bereits mehrere hunderttausend Mal und in verschiedenen Sprachen gedruckt wurde.

Zwei Dinge haben mich besonders unangenehm berührt:
1. Sie bringt Beispiele aus der Promiwelt, die sie den Magazinen Gala und Bunte entnommen hat, bei denen sie sich im Anhang auch speziell bedankt. Ja, bravo ihr Paparazzis, dass ihr Frau Zurhorst geholfen habt, einen Einblick ins Leben der Prominenten zu bekommen! Ist ja egal, wie das für die Stars ist, wenn sie ständig von Fotografen und fragwürdigen Journalisten belagert werden- Frau Zurhorst hat ihre Unterhaltung und Beispiele für aus ihrer Sicht falsche Leben. Wie glücklich die in diesen Blättern bloßgestellten Menschen auch sein mögen, sei mal dahingestellt. Dass sich Tausende daran weiden, ebenfalls. Aber solcherlei Sensationslust auch noch in ein Buch aufzunehmen, dass Hilfe verspricht, halte ich für äußerst fragwürdig.
2.Die letztliche Lösung sieht sie in der Hinwendung zu Gott, Zitat: „Unabhängig davon, ob wir einer bestimmten Glaubensrichtung angehören oder ob wir als Zentrum unseres Seins einen göttlichen, vollkommenen, friedvollen und spirituellen Kern annehmen, können wir uns darauf verlassen, dass es etwas gibt, das über uns selbst hinausgeht. Dass wir mit einer höheren Macht und einer größeren Kraft verbunden sind und dass uns etwas zuströmt und führt. Dass es etwas gibt, das uns etwas gibt.“
Na prima- dann muss ja unser Partner nichts mehr machen und wir eigentlich auch nicht- das impliziert auch die Kapitelüberschrift „Wir müssen nichts tun“. Und was machen die, die Agnostiker oder gar Atheisten sind? Denen kann nicht geholfen werden? Jedenfalls nicht von ihr? Dann sollte der Buchtitel aber wohl anders lauten!

Ich habe das Gefühl, Frau Zurhorst ist glücklich darüber, was es alles Schönes in ihrem Leben gibt und teilt das ihren Lesern mit. Sie hat in das Buch allerdings so viele Themen hineingepackt, dass sie unmöglich wirklichen Rat geben konnte- dazu hätte das Buch dann mindestens dreimal so dick sein müssen. Oder nur halb so umfangreich, wenn sie konkret geworden wäre. Aber vielleicht ist das auch genau so gewollt: ein anregender Titel, Begeisterung auslösen, Verzweiflung und Verwirrung auch: WIE? Bitte sag mir WIE? und auf diese Weise viele Klienten für ihre Coachingpraxis finden, für die teuren Seminare, die ihr Mann und sie abhalten?

Ich schloss das Buch und dachte: Genau genommen steht da ja auch nicht Ratgeber drauf. Hab ich wohl nur meine Erwartung in den Titel hineininterpretiert? Tja, der Trick hat funktioniert! Wäre mal interessant zu wissen, wie viele Menschen, die dieses Buch aus den gleichen Gründen gekauft haben, wie meine Bekannte es tat, es enttäuscht weglegten. So ein widersprüchlicher Titel ist u.U. auch ein Erfolgsgarant für ein Buch, selbst wenn die Käufer enttäuscht sind- die Verkaufszahlen sind für den Verlag entscheidend.


Ich brachte das Buch meiner Bekannten am nächsten Tag vorbei. Sie hatte es noch gar nicht vermisst- als sie am Abend zuvor nach Hause kam, war wieder dicke Luft. Glücklich nahm sie das Buch und erklärte, dass sie gleich beginnen werde zu lesen. Ein paar Tage darauf, rief sie mich an und regte sich fürchterlich über diesen Fehlkauf, wie sie es nannte, auf. Wir tauschten uns eine Weile darüber aus und sie beendete das Gespräch mit dem Entschluss, sich in Zukunft immer genug Zeit zu nehmen, um in der Buchhandlung in ein Buch hineinzulesen, bevor sie es kauft- sicher eine gute Idee!

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