Samstag, 5. Juli 2014

Hervé Le Tellier „Neun Tage in Lissabon“

Ein trauriges Buch. Für mich jedenfalls. Das ist, wie es mich zurücklässt, nachdem die letzte Seite, der letzte Satz gelesen sind.
Mein erster Gedanke, als ich das Buch schloss, war: ‚Der Arme- so unfähig zu lieben!“ Dabei meine ich nicht DIE Liebe zwischen zwei Menschen, die Verliebtheit, das sich- zueinander- hingezogen- fühlen, dieses Gefühl der Ausschließlichkeit und alles was damit zusammenhängt bzw. darauf folgt. Nein, ich meine die allgemeine Fähigkeit zu lieben, das Leben, andere Menschen, die Natur, Musik und was sonst noch alles liebenswert ist.

Ich habe durchaus mit Spannung gelesen, wollte wissen, wie es weitergeht- insofern also eine lohnende Lektüre. Aber ich hatte auf Entwicklung gehofft, darauf, dass in Vincent etwas passiert, sich verändert. Darauf, dass seine Schale aufbricht, er durch die Erfahrung reicher, ja und vielleicht doch glücklicher wird. Der Epilog jedoch, in dem Hervé Le Tellier zusammenfasst, was in den Jahren danach geschah, was aus den Figuren wurde, zeigt, dass nichts derartiges passierte. Vincent endet einsam und, wie mir scheint, verbittert und ängstlich wie er schon immer war.
Ich bin selbst eine fast unerschütterliche Optimistin, was meine Hoffnung während der Lektüre wohl erklärt. Immer wieder dachte ich: Er schafft es, er wird verstehen, loslassen, entspannen und dann irgendwann glücklich werden.
Aber Hervé le Tellier ist wohl eher Chronist der Realität, in der sich Menschen eben nicht ändern.
Dies ist, so sagen manche, spätestens im Alter von 25 Jahren abgeschlossen. Und es bestätigt sich oft, wenn ich mich in meiner Umgebung umschaue: Frauen, die es nach Jahren schaffen, sich von einem Mann zu trennen, der sie beleidigt, verletzt, nicht achtet. Die  nicht darüber reflektieren, welche Anteile in ihnen selbst zu dieser langen Leidensbeziehung führten und darum in der nächsten Beziehung genau die gleichen Erfahrungen machen, wieder leiden, wieder jammern… oder die erkennen/ in Gesprächen mit anderen herausfinden, was sie selbst verändern müssten- wie Vincent, dem eine Frau versucht die Augen zu öffnen- und doch scheinbar unfähig sind, es tatsächlich zu tun.
Vielleicht ist es ja wirklich so, dass man sich irgendwann an sein eigenes Wesen so sehr gewöhnt hat, dass eine Veränderung nur bedrohlich wirkt, selbst wenn sie weniger Leid verspräche, weniger Schmerzen? Dass man lieber leidet, weil man diesen Zustand kennt und einen das Fehlen des Leids verunsichern würde? Das klingt zwar gemein, aber bei manchen Menschen habe ich genau dieses Gefühl…

Hervé Le Tellier hat das nun auch in diesem Roman wieder dargestellt. Bei dem Buch, das ich vor einiger Zeit von ihm las- ich glaube, es ist bereits einige Jahre her- fühlte ich ähnlich, nicht genauso, jedoch fühlte ich auch dabei eine gewisse Wehmut… aber dazu dann vielleicht in einem weiteren Beitrag mehr, da es hier ja um „Neun Tage in Lissabon“ geht und nicht um jenes andere Buch, das den Titel „Kein Wort mehr über Liebe“ trägt.

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