Adolf
Hitler erwacht 2011 auf einer Brache mitten in Berlin. Was wäre wenn- so die
Idee, die Timur Vermes in seinem Roman spinnt und erschreckend realistisch
darstellt. Genau so könnte es ablaufen. Niemand realisiert, was der Typ
wirklich will, obwohl er es deutlich sagt und sogar die Phrasen von damals
verwendet (in dem Buch ist er ja auch der Echte, der von damals). Alle lachen
über das, was er von sich gibt- genau wie 1933, als auch viele Intellektuelle
meinten, dass der Typ sich nicht lange halten würde.
Das,
worüber Timur Vermes „seinen“ Hitler sich wundern oder aufregen lässt, ist
vieles, worüber sich breite Bevölkerungsgruppen ärgern. Das freie Fernsehen,
die dort gezeigten Sendungen zum Fremdschämen, diejenigen, in denen sich
Menschen seelisch komplett entblößen, rasende Autofahrer vor Schulen und Kitas
u.v.a.m.
Der
Protagonist zieht mit Originaluniform und in Begleitung eines Fernsehteams
durch Berlin und befragt Leute auf der Straße. Viele halten sich wegen seiner
Uniform zurück, aber manche sind auch dadurch nicht zu bremsen. Der Frust
scheint groß zu sein, der über bestimmte Verhältnisse, wie auch der darüber,
dass sich nichts ändert. Seine Fernsehshow und seine Internetseite
„Führerhauptquartier“ erfahren jedenfalls erschreckend großen Zuspruch.
Beim
Lesen ertappe ich mich dabei, wie ich lache oder denke: „Genau!“ Dann halte ich
inne und denke: Moment mal? Sehne ich mich etwa nach einem Führer, nach
diktatorischer Ordnung?
Nein,
natürlich nicht! Aber die Frage, welche Werte gelten hier eigentlich noch und
warum werden es scheinbar immer weniger, stellt sich schon, einerseits ausgelöst
durch die Probleme, die der Autor „seinen Hitler“ benennen lässt und andererseits
durch die Art wie mit jenem umgegangen wird von Seiten der Fernsehleute, die in
ihm „nur“ einen Komödianten sehen, seine Worte nie ernst nehmen, sondern nur
die Quoten sehen, die sie mit ihm erzielen können: Hauptsache es lohnt sich, dann sind die Inhalte egal,
dann werden Werte unwichtig…
Timur
Vermes lässt offen, was aus jenem Wiedererwachten wird- da hat der Leser viel
Raum zum Spekulieren.
Der
Begriff „römische Dekadenz“ fällt mir ein und die Sorge, dass, wenn einer wie
jener 1933 aufträte, er womöglich schnell Zulauf hätte.
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