Samstag, 5. Juli 2014

Timur Vermes „Er ist wieder da“

Adolf Hitler erwacht 2011 auf einer Brache mitten in Berlin. Was wäre wenn- so die Idee, die Timur Vermes in seinem Roman spinnt und erschreckend realistisch darstellt. Genau so könnte es ablaufen. Niemand realisiert, was der Typ wirklich will, obwohl er es deutlich sagt und sogar die Phrasen von damals verwendet (in dem Buch ist er ja auch der Echte, der von damals). Alle lachen über das, was er von sich gibt- genau wie 1933, als auch viele Intellektuelle meinten, dass der Typ sich nicht lange halten würde.

Das, worüber Timur Vermes „seinen“ Hitler sich wundern oder aufregen lässt, ist vieles, worüber sich breite Bevölkerungsgruppen ärgern. Das freie Fernsehen, die dort gezeigten Sendungen zum Fremdschämen, diejenigen, in denen sich Menschen seelisch komplett entblößen, rasende Autofahrer vor Schulen und Kitas u.v.a.m.
Der Protagonist zieht mit Originaluniform und in Begleitung eines Fernsehteams durch Berlin und befragt Leute auf der Straße. Viele halten sich wegen seiner Uniform zurück, aber manche sind auch dadurch nicht zu bremsen. Der Frust scheint groß zu sein, der über bestimmte Verhältnisse, wie auch der darüber, dass sich nichts ändert. Seine Fernsehshow und seine Internetseite „Führerhauptquartier“ erfahren jedenfalls erschreckend großen Zuspruch.
Beim Lesen ertappe ich mich dabei, wie ich lache oder denke: „Genau!“ Dann halte ich inne und denke: Moment mal? Sehne ich mich etwa nach einem Führer, nach diktatorischer Ordnung?
Nein, natürlich nicht! Aber die Frage, welche Werte gelten hier eigentlich noch und warum werden es scheinbar immer weniger, stellt sich schon, einerseits ausgelöst durch die Probleme, die der Autor „seinen Hitler“ benennen lässt und andererseits durch die Art wie mit jenem umgegangen wird von Seiten der Fernsehleute, die in ihm „nur“ einen Komödianten sehen, seine Worte nie ernst nehmen, sondern nur die Quoten sehen, die sie mit ihm erzielen können: Hauptsache  es lohnt sich, dann sind die Inhalte egal, dann werden Werte unwichtig…
Timur Vermes lässt offen, was aus jenem Wiedererwachten wird- da hat der Leser viel Raum zum Spekulieren.
Der Begriff „römische Dekadenz“ fällt mir ein und die Sorge, dass, wenn einer wie jener 1933 aufträte, er womöglich schnell Zulauf hätte.


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