Donnerstag, 10. Juli 2014

Noam Shpancer „Der gute Psychologe“

Ein Psychologe, der ein Buch mit dem Titel „Der gute Psychologe“ schreibt… ich hatte verschiedene Vermutungen: entweder leidet er an gnadenloser Selbstüberschätzung oder er meint den Titel ironisch oder er will darstellen, was einen guten Psychologen ausmacht, auch wenn er selbst dieses Ideal nicht erreicht…
Selbstüberschätzung ist es nicht, aber von all dem anderen ist es ein bisschen.
Hier schreibt jemand, der wirklich etwas von Angsterkrankungen versteht, einer, der versucht, es Studenten nahezubringen, sein Wissen und seine Erfahrungen im Umgang mit Angstpatienten in der Therapie. Einer, der sich im Laufe des Romans aber auch eigenen Ängsten stellt. Gefallen hat mir, wie er alles miteinander verwebt.

Die Geschichte ist an keiner Stelle so aufregend oder spannend, dass sich ein Sog gebildet hätte. Es war angenehm sie zu lesen, es führte zu vielen kleinen „Aha’s“ und zu Sympathie für all die Menschen, die diesen Roman bevölkern und deren Pendants ich auch in meinem Umfeld finde…
Warum es empfehlenswert ist, dieses Buch zu lesen? Nun, man erfährt viel über die Angst, darüber, wie sie krank machen kann, welche Spielarten es gibt. Es ermutigt unter Umständen dazu, sich selbst mit wirklichen Problemen in Therapie zu begeben, wenn man bisher vielleicht davor zurückschreckte, weil man befürchtete, dass man sich damit auch eingestehen würde, dass man "verrückt" ist oder andere meinen könnten, man sei krank. 
„Der gute Psychologe“ macht klar: Angst kann jeden treffen, ist zutiefst menschlich. Das Buch hilft aber eventuell auch, zu erkennen, dass die Probleme, die man zu haben meint, gar keine Dramen sind, dass alles lösbar ist- man muss sich dem eben nur stellen und eine Lösung finden wollen… man muss es nicht soweit kommen lassen, dass alles den Bach runtergeht… und man kann mit manchem auch leben, wenn man sich umschaut und sieht, was andere für Sorgen haben…

Die persönliche Geschichte des Psychologen, wie er sich in dem Buch immer nur nennt- man erfährt keinen Namen, er wird immer nur „der Psychologe“ genannt- ist skurril aus meiner Sicht… und sie wird auch nicht aufgelöst… für sein Leben, dass mir teilweise traurig, auf jeden Fall einsam erscheint, gibt es keine Hoffnung auf wirkliche Veränderung… dabei scheint er jedoch nicht unglücklich zu sein… Der Psychologe erlebt in dem Buch viele kleine Glücksmomente. Die Summe dieser ist vielleicht viel mehr, als ein einziger großer, strahlender glücklicher Augenblick? Weil die vielen kleinen letztlich tragender sind, als diese sehr seltenen großen?! Auch dies eine Erkenntnis, die man aus der Lektüre mitnehmen kann.

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