Samstag, 5. Juli 2014

Toni Jordan "Tausend kleine Schritte"

„Eine ebenso originelle wie mitreißende Liebeskomödie“ schreibt The Times. So steht es auf dem hinteren Buchdeckel. Diese Meinung teile ich nicht. Denn Grace Lisa Vandenburg, die Protagonistin, hat eine Zwangsstörung. Sie muss alles zählen: Schritte, die Anzahl der Borsten ihrer Zahnbürste etc. Als Ich- Erzählerin beschreibt sie detailgetreu was sie denkt, was geschieht, auch was sie fühlt.

Grace erzählt auf eine sehr sachliche Weise bzw. wirkt es oft sehr sachlich, weil sie immer wieder Bezüge zu Zahlen herstellt... vielleicht auch, weil sie sich wegen ihrer Krankheit keine emotionalen Ausbrüche leisten kann... weil sie das aus der Bahn werfen würde... Ich bin mir nicht sicher... Nebenbei erfährt man viel über Nikola Tesla, einen Erfinder, Physiker und Elektroingenieur, geboren 1856 in Kroatien, den sie sehr bewundert, sowie- natürlich- über Zahlen und deren Geschichte. Oft musste ich lachen, weil sie auf andere Menschen so sachlich reagiert, dass Situationskomik entsteht, die sie aber nicht zu empfinden scheint.
Grace lernt irgendwann einen Mann kennen, Seamus O’Reilly, der von ihr fasziniert ist und versucht zu ergründen, warum sie so ist, wie sie ist. Und dann versucht er ihr zu helfen, weil er meint, dass sie Hilfe braucht. Er sorgt dafür, dass sie eine Therapie beginnt und Psychopharmaka nimmt. Was das mit ihr macht, beschreibt sie ebenfalls völlig sachlich. Manchmal gibt es da einen Ausdruck von Verwunderung, aber sie berichtet stets so, dass man den Eindruck hat, dass das alles nicht ihr geschieht, als würde sie sich von außen beobachten.

Als ich es ausgelesen hatte, hielt ich das Buch in der Hand und dachte: ja, eine Liebesgeschichte ist es… eine schöne… eine, die nicht nur über die Liebe zwischen Grace und Seamus erzählt, sondern auch über die Liebe zu sich selbst, zu Geschwistern, zu Eltern, zu Dingen… und in diesem Fall zu Zahlen... Eine Geschichte, die etwas Wesentliches deutlich macht: wie wichtig es ist, sich selbst so anzunehmen, wie man ist und die Menschen, die man liebt, akzeptieren zu können, wie sie sind, auch wenn man nicht jede ihrer Verhaltensweisen nachvollziehen kann. Natürlich muss man Kompromisse machen, muss man sich annähern... aber die Grundstruktur darf nicht in Frage gestellt werden, wenn es harmonieren soll...

Insofern stimme ich mit dem Zitat aus der „Brigitte“ überein, das ebenfalls auf dem Buchdeckel abgedruckt ist:
„Ein hinreißendes Plädoyer für alle kleinen und selbst die größeren menschlichen Macken“.




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