Samstag, 5. Juli 2014

Graehme Simsion "Das Rosie Projekt"

Wer Sheldon Cooper aus der Fernsehserie „The Big Bang Theorie“ mag, der wird auch dieses Buch mögen… behaupte ich mal… jedenfalls geht es mir so. Der Protagonist Don Tillman agiert ähnlich wie Sheldon in sozialen Räumen, was zu skurrilen Situationen führt, die zumindest für den Leser, der ja nur Beobachter ist und nicht involviert, durchaus amüsant ist. Mit einem solchen Menschen tatsächlich zu interagieren führt sicherlich oft zu Verwirrung bei den Beteiligten… darüber zu lesen jedoch macht einfach Freude… regt aber auch zum Nachdenken an. 
Don Tillman analysiert das Verhalten seiner Mitmenschen auf eine sehr sachliche Weise, was dazu führt, dass man Dinge aus einem anderen, einem nahezu emotionslosen, Blickwinkel betrachtet. Er stellt sich beispielsweise so vor: „Ich bin neununddreißig Jahre alt, groß, durchtrainiert und intelligent, mit relativ hohem gesellschaftlichem Status und überdurchschnittlichem Einkommen als Assistenzprofessor. Gemäß den Gesetzen der Logik sollte ich für eine ganze Reihe von Frauen attraktiv sein. Im Reich der Tiere würde ich mich erfolgreich vermehren.“
Aufgrund der Tatsache, dass er auf „normalem“ Wege keine Partnerin findet- trotz seiner offensichtlichen Eignung- entwickelt er das Ehefrauen- Projekt. Er ist Genetiker, Wissenschaftler und also geht er das Ganze wissenschaftlich an: er entwickelt einen Fragebogen… seine Argumente und Einschätzungen von Situationen sind so, dass man sie rein intellektuell nachvollziehen kann, aber der Mensch ist eben nicht nur Geist, er ist auch Seele, er hat auch Emotionen… die meisten jedenfalls. Don jedoch hat zu Emotionen, seinen eigenen, wie auch denen anderer nicht den Zugang, den der Durchschnittsmensch offensichtlich hat. Konventionen sind ihm bekannt, er kann aber in vielen keine Logik erkennen, die sie ja auch oft nicht haben… und hinterfragt sie darum, stellt sie komplett in Frage oder ignoriert sie, eben weil sie aus seiner Sicht keinen Sinn ergeben, keinen Zweck erfüllen… An vielen Stellen dachte ich: er hat so recht!!! Es ist so sinnlos, überholt oder verlogen, sich so zu verhalten… aber es ist eben gesellschaftlicher Konsens, hat sich so entwickelt und also halten sich alle daran bzw. die meisten.
Don Tillman hat offensichtlich das, was Ärzte heute als „Asperger- Syndrom“ diagnostizieren würden, aber er kommt gar nicht auf die Idee, dass dieses Syndrom die Ursache für seine Schwierigkeiten sein könnte. Beim Lesen dachte ich oft: es wäre für manche Menschen besser, wenn man auf eine Diagnose verzichten würde, denn Don Tillman, der sich zwar seiner Probleme bewusst ist, ihnen aber keinen Krankheitswert beimisst, kommt gut durchs Leben und entwickelt auch Freundschaften. In einem Vortrag, den er über das Asperger- Syndrom hält, erklärt er auf einen Einwurf der Moderatorin, in dem sie den Begriff „Defekt“ für das Syndrom verwendet: „Defekt!  Das Asperger- Syndrom ist kein Defekt! Es ist eine Variante des Möglichen- vielleicht sogar ein erheblicher Vorteil. Das Asperger- Syndrom ist mit hoher Organisations- und Konzentrationsfähigkeit, innovativer Denkweise und rationaler Distanziertheit verbunden.“ Diese Entgegnung gefiel mir sehr- ich stimme ihr uneingeschränkt zu: eine Variante des Möglichen- das ist eine sooo gute Beschreibung!!!
Don Tillman ist anders als der Durchschnitt und der Autor Graeme Simsion stellt ihn so liebevoll dar, dass man ihn einfach mögen muss… und sich nach der Lektüre fragt, warum wir nicht in der Lage sind, Menschen einfach so zu akzeptieren, wie sie sind, statt sie dem allgemeingültigen Bild anpassen zu wollen…
Um auf die Geschichte zurückzukommen: das Ehefrauen- Projekt wird „gestört“ durch Rosie, die plötzlich in Dons Leben tritt und so einiges über den Haufen wirft in ihrer, wieder auf andere Weise unkonventionellen Art…
Es ist eine wahre Freude dieses Buch zu lesen und ich kann es wärmstens empfehlen, denn… ja… ich galube, das trifft es, was ich beim Lesen empfunden habe: Wärme, Nähe, liebevolle Zuneigung zu Menschen, die anders sind… und ich dachte am Ende: was heißt das: Menschen, die anders sind? Wir versuchen zwar, uns an Konventionen zu halten, aber jeder von uns hat doch seine Art und Weise, die eine oder andere Konvention zu umgehen, zu hintergehen, zu vermeiden… jeder ist irgendwie anders… und das ist ja auch gut so J



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